Quaggamuschel-Sauce und Aal statt Felchen: Bodensee-Gastronomen mussten schon vor dem Fangverbot kreativ werden

Das Felchen-Fangverbot bedeutet nichts Neues für Bodensee-Lokale. Es hilft höchstens gegen Etiketten-Schwindel. Kreativität braucht es indes schon länger: Während ein deutscher Hotelier mit Quaggamuscheln experimentiert, hadern Österreicher und Schweizer mit dem Rotauge.
Text: Viviane Vogel, St. Galler Tagblatt
St. Gallen Seit Anfang des Jahres gilt im Bodensee ein dreijähriges Fangverbot für Felchen. Eine Umfrage bei Gastronomen am Schweizer Seeufer hat gezeigt: Der Verlust des beliebtesten Speisefisches aus dem Bodensee ist schwer zu kompensieren. Es gibt zwei Strategien: Man kann auf Fisch aus anderen Gewässern ausweichen. Oder man setzt auf Bodensee-Herkunft, beugt sich der Saisonalität und wird kreativ.

Egli, Zander, Saibling und sogar Hecht und Wels sollen in den meisten Fällen Abhilfe schaffen. Walter Greussing vom Fischerstüble in Fußach probiert es jedenfalls: “Wir versuchen, jeden Tag mindestens einen Fisch vom Bodensee anzubieten. Das gelingt uns zu 99 Prozent.” Bodenseefische fix auf der Speisekarte anzubieten, sei aber schon seit fünf Jahren nicht mehr möglich. “Felchen können wir seit zwei bis drei Jahren nicht mehr zuverlässig anbieten.” Greussing kennt jedoch viele gute Alternativen, Felchen sind nicht unersetzbar: “Ich hab vielleicht zehn Gäste pro Jahr, die explizit wegen des Felchens kommen.”
Es muss auch nicht immer aus dem Bodensee sein, sagt Greussing. “Das Felchen-Fangverbot war kein großer Einschnitt. Mindestens so gute Alternativen sind Forellen aus dem Gebirgsfluss Lech, die sind von ausgezeichneter Qualität.” Wenn man unbedingt Felchen will, sei das zwar nicht vergleichbar, aber: “Wer einen guten Fisch essen will, der kommt mit diesen Forellen definitiv auf seine Kosten.”

Auch Hecht, Wels und sogar Aale könne man guten Gewissens anbieten. “Der Hecht hat halt viele Gräten, aber wir kennen dafür eine spezielle Technik, um diese zu entfernen. Und der Wels ist nicht jedermanns Sache – aber wir haben ein spezielles Rezept mit einer Marinade, die so manchen noch überzeugen kann.” Der Aal sei ebenfalls überraschend schmackhaft. Da sei das Aussehen ein Problem. “Wer will schon einen schlangenartigen Fisch auf seinem Teller sehen? Aber eigentlich hat der Aal viel Potenzial.” Greussings Erfindergeist hört beim Rotauge auf. “Wir bieten diesen Fisch nicht an, da der Aufwand zu gross ist, ihn schmackhaft zu machen.”
Im Fischerstüble setzt man nicht nur auf den Bodensee und regionale Gewässer. “Wenn man qualitativ hochwertige Fische vom Ausland erhält, zum Beispiel Heilbutt oder Seezunge, dann spricht nichts gegen deren Verwendung. Nur soll man das ausdrücklich deklarieren.” Das laufe laut Greussing sehr gut. “Österreichische Beamte kontrollieren strikt, was auf der Karte steht.”

Für Hendrik Fennel, Leiter des Hotels Maier in Friedrichshafen, bedeutet das Felchen-Fangverbot ebenso wenig Neues. Schon vorher sei es am Obersee schwer gewesen, an Wildfang-Fisch zu kommen, wenn man nicht einen Fischer in der Verwandtschaft hat. “Man kann unsere jetzige Situation auch als Luxusproblem bezeichnen”, sagt Fennel. “Dass wir uns nicht mehr auf ein beständiges Angebot verlassen können, heißt ja nicht, dass wir es vorher konnten. Das war purer Luxus!” Durch dieses Luxusproblem habe man altes Handwerk und Rezepte für weniger beliebte Fische verloren. “Dass das überhaupt möglich war, zeugt doch von einer Überflussperiode, die sich nun dem Ende neigt.”
Fennel versucht also, altes Wissen zu reaktivieren. «Auch von anderen Kulturkreisen kann man sich inspirieren lassen», sagt er. Fisch- und Austernsaucen spielen beispielsweise in asiatischen Küchen eine zentrale Rolle. So tüftelt Fennel mit Küchenchef Philipp Heid in einem Projekt an einer Bodensee-Muschel-Sauce, nach Vorbild der Austernsauce: “Wir haben bereits Partner an Bord, mit denen wir eine fermentierte Eiweisssauce aus dem Quaggamuschelfleisch entwickeln möchten.”

Familie Meier Gasthof Schiff im schweizerischen Mammern experimentiert nicht mit Flusskrebsen und Quaggamuscheln. Besitzer Erich Meier sagt: “Vielleicht wird das dann ein Thema für den Sohn, wenn er übernimmt.” Auf das Fangverbot angesprochen, stößt Meier ein freudloses Lachen aus. Er verlasse sich schon länger nicht mehr auf den Felchenfang: “Das ist doch schon seit mindestens fünf Jahren so, dass man kaum noch Felchen erhält! Es steht um den ganzen Artenbestand im Bodensee schlecht, die Geschichte ist gelaufen.” Seiner Meinung nach erhält die prekäre Lage am Bodensee nicht genügend Aufmerksamkeit.
Das Felchen-Fangverbot käme zu spät und sei nicht umfassend genug: “Die Zusammenarbeit zwischen Thurgau, St.Gallen, Baden-Württemberg und Vorarlberg klappt nicht gut genug, jeder verfolgt seine eigenen Ansätze.”
Darum dreht sich unsere Serie „Wem gehört der Bodensee?“. Entstanden ist sie grenzübergreifend wie der See, seine Schönheit und seine Probleme, als Coproduktion von Vorarlberger Nachrichten, St. Galler Tagblatt, Thurgauer Zeitung und Schwäbischer Zeitung.