Klimawandel und Unwetter: Wie die Erderwärmung Gewitter und Niederschläge in Vorarlberg beeinflusst

Starkregen, Hagel, Gewitter: Klimatologe Simon Tschannett erläutert die meteorologischen Hintergründe, die langfristigen Auswirkungen dieser Wetterphänomene und wie die Prognose für den Sommer aussieht.
Schwarzach Seit Wochen ist die Witterung in Mitteleuropa unbeständig. Heftige Regenfälle suchen den Alpenraum heim, die nicht nur überschwemmte Keller und steigende Pegelstände mit sich bringen. Im Gardasee ist derzeit so viel Wasser wie seit einem halben Jahrhundert nicht mehr, in Niederösterreich sorgten Hagelkörner mit bis zu sieben Zentimeter Durchmesser für Verwüstungen. In der Südschweiz forderten unwetterbedingte Muren mehrere Menschenleben und zerstörten die A13 auf der San-Bernardino-Route. Der Grund dafür ist die bestehende Großwetterlage.

Änderungen der Großwetterlage als Hauptursache
“Im europäischen Sommer bildet sich immer wieder eine Zone hohen Luftdrucks, die wochenlang für trockenes und heißes Wetter sorgt, bekannt als Azorenhoch” erklärt Klimatologe Simon Tschannett, der auch Geschäftsführer von Weatherpark ist. In diesem Jahr jedoch sei die Großwetterlage anders. Stattdessen dringen Tiefdruckgebiete bis zum Alpenraum vor und verursachen Unwetter. Diese Veränderungen der atmosphärischen Zirkulation in etwa fünf Kilometern Höhe bringt, gemeinsam mit der Hebung der Luft an den Alpen und der instabilen Schichtung der Atmosphäre, die starken Regenfälle und Gewitter.


Prognosen für den restlichen Sommer
Die Vorhersagen für den weiteren Verlauf des Sommers bleiben unsicher. Saisonprognosen des Europäischen Zentrums für mittelfristige Wettervorhersage (ECMWF) deuten auf eine hohe Wahrscheinlichkeit von durchwachsenem Wetter hin – überdurchschnittlich warme Tage, laut Langzeitmodellen aber auch durchschnittlich nass. So wie es auch der Juni – laut Geosphere Austria der achtwärmste der 258-jährigen Messgeschichte – bereits war. “Bei dieser Art der Saisonvorhersage gibt es wertvolle Tendenzen, aber keine Gewissheiten. Außerdem stellt der Klimawandel viele bisherige Wetterregeln infrage”, so Tschannett. Er weist darauf hin, dass eine genauere Vorhersage – auch die Saisonvorhersage – zunehmend wichtig wird, besonders für Landwirtschaft und Katastrophenvorsorge.

Wärmere Atmosphäre, mehr Wasserdampf
Ein wesentlicher Faktor, der zur Intensität der aktuellen Unwetter beiträgt, ist die Erwärmung der Atmosphäre. “Je wärmer die Atmosphäre ist, desto mehr Wasserdampf kann sie aufnehmen, das ist ein physikalisches Prinzip. Entsprechend ist dann mehr Feuchtigkeit da, die ausregnen kann”, erklärt Tschannett. Das Clausius-Clapeyron-Gesetz besagt, dass warme Luft mehr Wasserdampf aufnehmen kann. Für jedes Grad Erwärmung erhöht sich die Aufnahmekapazität um etwa sieben Prozent. Dies führt zu einer signifikanten Zunahme der Niederschlagsmenge bei Gewittern. Diesen Zusammenhang bestätigen auch Untersuchungen weltumspannender Messdaten.

Extremwetter-Ereignisse das neue Normal
Hinzu kommt, dass der Klimawandel nicht nur die Atmosphäre erwärmt, sondern auch die Häufigkeit bestimmter Wetterlagen beeinflusst, die zu Extremereignissen wie den jüngsten Unwettern führen können.
Die Häufigkeit und Intensität solcher Extremwetterereignisse nehmen durch den Klimawandel zu. “Die erhöhten Wasserdampfkonzentrationen verstärken Gewitter und damit die Niederschlagsmengen,” erklärt Tschannett.
Wissenschafter und Experten wie Tschannett betonen allerdings auch, dass die Klimamodelle jedoch noch Schwächen haben. So lässt sich bislang nicht sagen, wie sich die großen Muster im Alpenwetter durch den Klimawandel verändern werden. So muss noch offen bleiben, ob man sich künftig etwa eher vor Unwettern einstellen muss und ob diese künftig öfter bzw. eher stärker sein werden. Zudem schwankt die Häufigkeit von Hoch- und Tiefdrucklagen natürlicherweise stark, was die Langzeitvorhersage zusätzlich erschwert.
Vorbereitung für Klimaszenarien
Der Klimatologe warnt außerdem, dass die Infrastruktur in vielen Regionen nicht auf solche extremen Wetterbedingungen vorbereitet ist. “Es ist wichtig, dass wir unsere Siedlungsgebiete und Infrastruktur an die veränderten Klimabedingungen anpassen”, betont Tschannett. Dies erfordert belastbare Klimaszenarien und umfassende Untersuchungen, um zukünftige Risiken besser zu verstehen und geeignete Maßnahmen zu ergreifen: “Diese kosten eben auch Geld.”