“Wir taten alles, was möglich war”: Jetzt sprechen Pflegerin und der SeneCura-Direktor

Vorarlberg / 19.07.2024 • 16:05 Uhr
SeneCura Hard, Pflegeheim “In der Wirke”, Gespräch mit Regionalleiter Daniel Siegl und einer Mitarbeiterin zur Pflegethematik.
Emmy Altmiler hat den 89-Jährigen betreut. VN/Steurer

Nach möglichem Hungertod: SeneCura-Heim „In der Wirke“ will selbst unabhängiges Gutachten in Auftrag geben. Emmy Altmiler hat den Verstorbenen in seiner Zeit im Heim betreut und begleitet. Die Betroffenheit steht ihr ins Gesicht geschrieben.

Hard Es gab Gesprächsbedarf in den vergangenen Tagen im SeneCura-Heim „In der Wirke“ in Hard. Obwohl vorinformiert schlug der Bericht über den angeblichen Hungertod eines 89-jährigen Bewohners doch wie eine Bombe ein. Emmy Altmiler steht die Betroffenheit ins Gesicht geschrieben. Sie hat den Verstorbenen während seiner Zeit im Heim betreut und begleitet. „Er war nicht einfach, aber wir mochten ihn und taten alles, was noch möglich war“, erzählt die Pflegeassistentin. Fast 30 Jahre macht Altmiler nun schon diese Arbeit und das mit Leib und Seele, wie sie sagt. Unlängst plagten sie erstmals Zweifel. „Ich bringe die Dankeskarte der Familie nicht mit dem zusammen, was uns jetzt vorgeworfen wird“, sagt sie. Aus dem Zuspruch, den Emmy Altmiler in dieser schwierigen Situation von Angehörigen bekam, schöpft sie Mut und Kraft. Ebenso fühlt sie sich von der Heimführung gut aufgefangen.

SeneCura Hard, Pflegeheim “In der Wirke”, Gespräch mit Regionalleiter Daniel Siegl und einer Mitarbeiterin zur Pflegethematik.
Regionaldirektor Daniel Siegl und Pflegeassistentin Emmy Altmiler im Gespräch mit VN-Redakteurin Marlies Mohr.

Regionaldirektor Daniel Siegl brachte sofort ein Gesprächsangebot für Personal, Bewohner und Angehörige auf den Weg. Zudem organisierte er Supervisionstermine. „Es ist ein Kraftakt“, räumt er ein und auch: „Solche Unterstellungen schmerzen, aber wir werden den Kopf nicht in den Sand stecken, sondern weiterhin gute Arbeit leisten.“ Er will in dieser Sache neutral bleiben. Diesen Appell richtete er auch an die Mitarbeitenden bei einer Versammlung am Dienstagabend. Gleichzeitig versteht er die Emotionen, die sich in Wut, Frust, Enttäuschung und Unverständnis ausdrückten. Umso wichtiger ist es für Siegl, jederzeit für ein Gespräch da zu sein. „Betroffen macht, dass unsere Mitarbeitenden auch außerhalb des Heimes angefeindet werden“, weiß er von zahlreichen unschönen Vorkommnissen. Dass sich Emmy Altmiler in einem Geschäft fragen lassen musste, ob sie auch zu denen gehört, die Leute verhungern lassen, ist noch harmlos. Andere Pflegekräfte bekamen Schlimmeres an den Kopf geworfen. Gekündigt hat deswegen jedoch niemand. Daniel Siegl hofft, es bleibt dabei. Mit 70 Beschäftigten ist das Haus personell voll besetzt.

SeneCura Hard, Pflegeheim “In der Wirke”, Gespräch mit Regionalleiter Daniel Siegl und einer Mitarbeiterin zur Pflegethematik.
Regionalleiter Daniel Siegl will ein unabhängiges Gutachten in Auftrag geben. VN/Steurer

Hinter Daniel Siegl liegen intensive Stunden. Am Dienstagvormittag war er bei Soziallandesrätin Katharina Wiesflecker, um den jährlichen SeneCura-Qualitätsbericht und Informationen zum Fall abzuliefern. Am Dienstagabend informierte er die Gemeindevertretung über den Stand der Dinge, und am Mittwochabend stand er Angehörigen Rede und Antwort. „Es gab kritische Stimmen, aber das darf sein, denn auch wir machen Fehler“, beschönigt er nichts. „Die Bewohner auf der Station zeigten sich ebenfalls irritiert“, berichtet Emmy Altmiler. Sie lud am Donnerstag zum Abendcafé, wo alle ihre Ängste und Sorgen mitteilen konnten. Das wirkte beruhigend. Die Pflegeassistentin verabschiedet sich. Sie muss wieder zu ihren Leuten. „Wir tun wirklich unser Bestes“, bekräftigt sie noch, ehe sich die Tür schließt.

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Das Heim „In der Wirke“ gibt es seit 2015. Seitdem wurden über 600 Harderinnen und Harder hier auf ihrem letzten Lebensweg begleitet. Die sechs Heime der SeneCura werden laut Daniel Siegl regelmäßig durch ein Qualitätsmanagement überprüft. Zudem finden in jeweils kurzen Abständen Zoom-Meetings statt. Was sich dabei an Notwendigkeiten ergibt, findet Aufnahme in einen Maßnahmenplan. SeneCura ist zwar ein privater Heimbetreiber, aber: „Alle Heime im Land arbeiten unter den gleichen Voraussetzungen“, stellt Siegl klar. Die angeordnete neuerliche Prüfung des in die Schlagzeilen geratenen Falls bereitet ihm keine Sorgen: „Wir werden ebenfalls ein unabhängiges Gutachten einholen“, kündigt er an.

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Zwischenbericht und Entgegnung

Laut Dossier hat Patientenanwalt Alexander Wolf, der den Fall im Auftrag der Familie prüft, einen Zwischenbericht vorgelegt. Darin heißt es unter anderem: Die von SeneCura übermittelten Unterlagen seien unvollständig und bei der Gewichtskontrolle habe es »Ungereimtheiten« gegeben. Die Schlussfolgerungen der Amtssachverständigen des Landes, die von keinen Pflegefehlern sprach, bezeichnet Wolf als »nicht nachvollziehbar. Auf fünf Seiten kritisiert er zudem, dass die Pflegedokumentation widersprüchlich sei, was die Entstehung der massiven Dekubitus betrifft. Diese würden – anders als von SeneCura behauptet – erstmals zwei Tage nach seinem Einzug ins Heim festgehalten. 

SeneCura hatte bereits ausführlich dazu Stellung bezogen. Dennoch erachte es das Unternehmen für geboten, noch einmal klarzustellen:

“Wir weisen die jüngsten Anschuldigungen gegen unser Sozialzentrum und unsere Mitarbeitenden in Hard entschieden zurück. Es macht betroffen, dass ein Medium weiterhin in einer laufenden behördlichen Prüfung, selektive und unrichtige Vorwürfe in den Raum stellt”, so Unternehmenssprecher Johannes Wallner. “Unser Unternehmen will eine vollständige und lückenlose Darstellung und Aufklärung in dieser Sache. Daher hat SeneCura zusätzlich zu den bereits vorgenommenen Untersuchungen zwei unabhängige Experten mit der Erstellung von Gutachten beauftragt. Diese werden bis Mitte der kommenden Woche vorliegen und wir werden diese der Öffentlichkeit vorstellen”, erklärte Johannes Wallner und ergänzt: “Wir werden uns nicht vom Weg einer sachlichen und umfassenden Aufklärung abbringen lassen.

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