Thomas Matt

Kommentar

Thomas Matt

Traumreise

Vorarlberg / 07.08.2024 • 08:32 Uhr

Sein Wagen holpert über den Hohlweg. Er kann jede Wurzel spüren. Seit Tagen sind sie unterwegs. Aber das sind nicht mehr die gepflasterten Römerstraßen. Das ist lange her. Niemand kümmert sich. Noch ehe er seiner Wut freien Lauf lassen kann, kracht das linke Vorderrad in ein Schlagloch, und dem Geschrei der Fuhrleute nach zu schließen, ist die Achse hinüber. August, im Jahre 1002. Und noch 20 Tage bis Brescia. Sofern wir überhaupt über die Alpen kommen …

Plötzlich ist er ein Reiter. Triefnass bis auf die Knochen. Seit den Morgenstunden sitzt er im Sattel. Die Hoffnung, dass sich die Nebel lichten könnten, hat er verloren. Dennoch treibt er sein Ross vorwärts. Sie müssen vor Anbruch der Nacht die Unterkunft erreichen. Ein gemauertes Haus, prasselndes Feuer in der Küche, gewürzter Wein – allein der Gedanke erwärmt ihn. Also zieht er die Kapuze tiefer ins Gesicht und bedeutet dem Ross, die nächste Anhöhe auch noch zu nehmen.

Und jetzt … ist er wach. Mit einem Ruck hat der Reisebus seine Fahrt wieder aufgenommen. Das Käppi ist ihm in die Stirn gerutscht. Er räkelt sich ungelenk empor und stellt mit dem kleinen Hebel den Sitz wieder gerade. Dann dreht er die Klimaanlage auf. „Noch 20 Kilometer bis Bellinzona“ verrät ein vorüberflitzendes Autobahnschild. Er denkt sich: Bellinzona? Ja richtig, Raststätte! Dann nickt er wieder ein und reitet alsbald im Traum über unwegsame Pässe einem Teller köstlicher Pasta entgegen.