Grenzerfahrung in Kirgisistan: Extrembergsteiger aus St. Gallenkirch wird von Lawine erfasst

Vorarlberg / 01.09.2024 • 09:15 Uhr
Daniel Dich hat bereits über 20 Viertausender bestiegen. Bei seiner letzten Expedition hatte er großes Glück. Daniel Dich/Tom Czermak

In den entlegensten Winkeln der Welt findet der Montafoner Daniel Dich seine unerschütterliche Leidenschaft für den Alpinismus. Vor kurzem wurde ihm seine Liebe zum Extrembergsteigen fast zum Verhängnis.

Darum geht’s:

  • Extrembergsteiger aus St. Gallenkirch überlebt Lawine in Kirgisistan.
  • Erlebte dramatische Rettungsaktion eines russischen Bergsteigers.
  • Plant trotzdem nächste Expedition nach Peru.

St. Gallenkirch Schwindelige Höhen, extreme Bedingungen und gefährliche Situationen: Der Alpinismus übt trotz seiner Herausforderungen eine ungebremste Faszination aus. Für Daniel Dich, einen 33-jährigen Extrembergsteiger aus St. Gallenkirch, ist es genau diese Mischung aus Gefahr und Freiheit, die ihn immer wieder in die höchsten und entlegensten Regionen der Welt zieht.

Der 33-Jährige ist auch Bergretter.

“Schon als Kind war ich viel in den Bergen, mit Mitte 20 begann ich ernsthaft zu klettern”, erzählt der Kletterlehrer und Bergretter den VN. Inzwischen hat er 20 Viertausender bestiegen, war zwei Mal in Nepal im Himalaya, bestieg unter anderem die Eiger-Nordwand oder den 6300 Meter hohen Chimborazo in Ecuador. Doch bei seiner letzten Expedition in Kirgisistan vergangenen Juli erlebte er eine Grenzerfahrung, die ihm noch lange in Erinnerung bleiben wird.

Khan Tengri, Daniel Dich
Daniel Dichs letzte Expedition führte ihn nach Kirgisistan.
Khan Tengri, Daniel Dich
Der Montafoner beim Aufstieg des über 7000 Meter hohen Khan Tengri. Tom Czermak

Mit einer Gruppe plante er, den Khan Tengri zu bezwingen. “Wir waren fünf Leute, ein Guide und zwei Sherpas”, beschreibt der Kletterlehrer die Gruppenzusammensetzung. Der Aufstieg zum 7010 Meter hohen Gipfel war hart, doch das eigentliche Drama begann, als sie am 26. Juli vom 4300 Meter hohen Camp 1 zum 5400 Meter hohen Camp 2 aufstiegen.

Khan Tengri, Daniel Dich
Tom Czermak

“Schon am 25. Juli hatten wir das Lager 2 erreicht, aber es ging meinem Kollegen und mir nicht gut. Die Sauerstoffsättigung war bei mir nur noch bei 65 Prozent, bei ihm sogar unter 50 Prozent”, erzählt Dich. Deshalb entschieden sie sich, wieder abzusteigen und nach zwei Tagen Pause einen neuen Versuch zu starten. Doch dieser zweite Aufstieg sollte nicht ohne Zwischenfälle bleiben. “Am 26. Juli bekam mein Kollege ein Lungenödem und begann, Blut zu husten. Da wusste ich, dass ich alleine weitergehen musste”, erinnert sich Dich. Begleitet von Sherpa Dawa Hyolmo machte er sich auf den Weg.

Khan Tengri, Daniel Dich
Wilde Natur und einsame Landschaft beim Zwischenstopp im Camp.
Khan Tengri, Daniel Dich
Der Montafoner und der Sherpa wurden von einer Lawine mitgerissen und überlebten.

Der Aufstieg in der Nacht war besonders riskant, da sie durch einen langen, engen Kessel mit hohen Wänden auf beiden Seiten mussten, der als Lawinengefährdungszone bekannt ist. “Wir waren gerade im ersten Steilstück, als wir plötzlich ein lautes Knacken hörten.” Ein riesiger Sérac (Anm. Türme aus Gletschereis) brach ab und löste eine Lawine aus, die rasend schnell auf sie zuraste. “Wir mussten rennen, um unser Leben zu retten”, erinnert er sich.

Khan Tengri, Daniel Dich
Der über 7000 Meter hohe Khan Tengri.

Dich und sein Sherpa waren durch ein Seil verbunden, das sie zwang, im selben Tempo zu laufen. “Mir ging nur ein Gedanke durch den Kopf: Ich muss so schnell rennen wie der Sherpa, sonst reiße ich uns beide in den Tod”, sagt er. Doch die Lawine war schneller. Sie wurden von der Lawine erfasst. “Es wurde dunkel, und ich fühlte, wie mir die Luft aus den Lungen gedrückt wurde. Ich dachte, ich würde ersticken”, beschreibt er den dramatischen Moment. Die beiden konnten sich nach kurzer Zeit selbst befreien. “Wir hatten nur ein paar Prellungen und mein Kollege klagte über große Schmerzen im rechten Waden. Aber wir überlebten, was einem Wunder glich.”

Rettungsaktion

Doch das Grauen war noch nicht vorbei. “Plötzlich sahen wir zwei Stirnlampen aus einer Gletscherspalte leuchten. Wir wussten sofort, dass dort jemand verschüttet war.” Dich und der Sherpa begannen unverzüglich mit der Rettungsaktion. Ein russischer Bergsteiger hatte einen offenen Unterschenkelbruch. “Wir bargen ihn unter Schmerzen aus der Spalte und seilten ihn ab.” Die Rettung gelang schließlich per Hubschrauber.

Daniel Dich, allgemein Kletterfotos

“Gefühl, wirklich zu leben”

Für Daniel Dich war diese Erfahrung einschneidend. “Ich sehe die Welt jetzt anders. Es ist mehr als nur Glück, dass ich noch lebe”, reflektiert er. Warum er sich trotzdem solchen Gefahren aussetzt? “Diese extremen Erlebnisse geben mir das Gefühl, wirklich zu leben. Es geht um die Freiheit und die Bestätigung der eigenen Fähigkeiten”, erklärt Dich. Trotz des Schreckens plant er bereits seine nächste Expedition nach Peru, die er jedoch vorsichtiger angehen will. “Ich werde mit einer kleineren, schnelleren Gruppe unterwegs sein. Diese Erfahrung hat mir gezeigt, dass man nie zu vorsichtig sein kann.”

Für Daniel Dich bleibt das Bergsteigen trotz aller Gefahren unverzichtbar: “Es ist ein Erlebnis – von der Begegnung mit fremden Kulturen bis hin zur Auseinandersetzung mit den Naturgewalten. Für mich gibt es nichts Schöneres.”

Daniel Dich, allgemein Kletterfotos
Trotz der Gefahren will der Montafoner weiter Extremklettern und dabei andere Kulturen kennenlernen.
Daniel Dich, allgemein Kletterfotos
“Für mich gibt es nichts Schöneres”, sagt Daniel Dich über sein nicht ungefährliches Hobby.