WhatsApp-Gruppen im Klassenzimmer: Wo die Grenze zwischen Spaß und Mobbing verschwimmt

Vorarlberg / 20.10.2024 • 16:00 Uhr
WhatsApp-Gruppen im Klassenzimmer: Wo die Grenze zwischen Spaß und Mobbing verschwimmt
WhatsApp ist in der Altersgruppe der 12- bis 19-Jährigen sehr beliebt. Eigentlich ist der Messengerdienst erst ab 16 freigegeben, trotzdem gibts bereits ab der fünften Schulstufe sehr oft Klassenchats. VN

WhatsApp-Gruppen gehören in den meisten Schulklassen zum Alltag. Doch die digitale Kommunikation birgt auch Gefahren, die schnell unterschätzt werden können. Vorarlberger Jugendliche berichten über ihre Erfahrungen.

Darum geht’s:

  • WhatsApp-Gruppen fördern Austausch, bergen aber Mobbingrisiko.
  • Mediencoach fordert klare Regeln und Eigenverantwortung im Klassenchat.
  • Bildungsdirektion empfiehlt DSGVO-konforme Kommunikationswege.

Schwarzach, Bregenz Mit Beginn des neuen Schuljahres bilden sich in vielen Schulklassen wieder WhatsApp-Gruppen, die eigentlich dazu dienen sollen, den Austausch unter Schülern zu erleichtern. Doch was harmlos als Organisationstool für Hausaufgaben beginnt, entwickelt sich in manchen Fällen zu einem Ort des Mobbings und der Ausgrenzung.

Die VN hörten sich bei drei Schülerinnen und Schülern des Bregenzer Gymnasiums Gallus um, wie sie WhatsApp-Gruppen nutzen: „Es gibt eine Klassengruppe und eine Mädchen- sowie eine Jungengruppe. Wenn jemand etwas fragt, kann man sich austauschen. Die Gruppe nutzen wir außerdem zum Beispiel für die Einteilung der Zimmer in der Skiwoche“, erklärt Mira-Sophie Gärtner (13). Was eigentlich praktisch klingt, birgt jedoch auch Gefahren.

WhatsApp Schulgruppen
Mira-Sophie findet den Klassenchat praktisch für den Austausch.

„Es gibt bei den WhatsApp-Gruppen schon die Gefahr für Mobbing, weil man über das Handy schnell Fotos machen kann“, warnt Isaiah Hann (13). Besonders das schnelle und ungefragte Teilen von Bildern und Nachrichten kann zur Grundlage von Ausgrenzung und Häme werden.

WhatsApp Schulgruppen
Isaiah ist ebenfalls Teil des Klassenchafts.

Sinan Pacali (13) ergänzt: „Wenn jemand eine blöde Frage stellt, kann es sein, dass man sich darüber lustig macht. Bei Mobbing würde ich aber schon einschreiten. Generell nutzen wir die Jungsgruppe eher für Witze und zum Austausch.“

WhatsApp Schulgruppen
Sinan über den Umgang in WhatsApp-Gruppen: „Humor gehört dazu, aber bei Mobbing hört der Spaß auf.“

Nicht nur Beleidigungen, sondern auch die Verbreitung unangemessener Inhalte in den Klassenchats führen schnell zu Problemen. Besonders problematisch wird es, wenn private Inhalte in den öffentlichen Chat gelangen. Die Initiative „SCHAU HIN! Was Dein Kind mit Medien macht“ warnt daher, dass Eltern und Schulen von Beginn an klare Regeln für die Nutzung von Messenger-Diensten aufstellen sollten. “Weil Messenger-Dienste im Alltag vieler junger Menschen bereits selbstverständlich sind, müssen die Kinder auch wissen, wie sie sich in einem Klassenchat angemessen verhalten”, sagt Mediencoach Iren Schulz. Gründen die Kinder eine Chatgruppe, sollen Eltern dabei unterstützen, gute Regeln der Kommunikation einzuführen. Wichtig sei, dass die Schüler selbst dafür sorgen, dass es in ihrem Klassenchat fair zugeht. Eine ständige Anwesenheit oder Kontrolle durch die Eltern unterbinde eher ein engagiertes Handeln der Kinder.

WhatsApp-Gruppen im Klassenzimmer: Wo die Grenze zwischen Spaß und Mobbing verschwimmt
„Klassenchats sind eine Möglichkeit, Gemeinschaft zu empfinden und die Bindung
untereinander zu stärken“, erklärt Mediencoach Iren Schulz, „wenn sie eine Gesprächskultur des gegenseitigen Respekts als Grundlage haben.“ SCHAU HIN!/Tanja Marotzke

Problem mit dem Datenschutz

Die Bildungsdirektion Vorarlberg warnt in diesem Zusammenhang deutlich davor, WhatsApp oder ähnliche soziale Netzwerke als offiziellen Kommunikationskanal zu nutzen, da diese nicht DSGVO-konform sind. Das Bildungsministerium empfiehlt stattdessen IT-Anwendungen wie das elektronische Klassenbuch oder Lernplattformen, über die eine sichere Kommunikation zwischen Schülern und Lehrkräften stattfinden kann. „Die Kommunikation zu schulischen Belangen zwischen Schülern und Lehrkräften sollte über diese sicheren Möglichkeiten erfolgen“, heißt es vonseiten der Bildungsdirektion auf VN-Anfrage.

ABD0064_20240822 – WIEN – …STERREICH: ++ THEMENBILD ++ ZU APA0158 VOM 20.8.2024 – Illustration zu den Themen “Facebook, Messenger-†berwachung, Social Media, Kommunikation, Datenschutz, Instagram, WhatsApp”. Im Bild: Das Logo von WhatsApp, Instagram, Facebook und Messenger, aufgenommen am Donnerstag, 22. August 2024, in Wien. – FOTO: APA/TANJA UNGERB…CK
Die Bildungsdirektion Vorarlberg rät von WhatsApp ab. APA/UNGERBÖCK

Bilden Schüler und Lehrer im privaten Bereich dennoch Gruppen in sozialen Medien, sind sie selbst für die Einhaltung des Datenschutzes verantwortlich. Dies beinhaltet insbesondere, keine personenbezogenen Daten weiterzugeben oder vertrauliche Informationen zu teilen.

Aufgrund Ihrer Datenschutzeinstellungen wird an dieser Stelle kein Inhalt von Iframely angezeigt.

Zusätzlich bietet die Bildungsdirektion konkrete Alternativen: Für Pflichtschulen wird vor allem SchoolFox genutzt, während höhere Schulen auf WebUntis zurückgreifen. An Vorarlbergs Schulen werde laut Bildungsdirektion außerdem verstärkt auf Medienkompetenz gesetzt. Neben der Broschüre „Digital und Vernetzt“ gibt es zahlreiche Workshops an Schulen, um Schülern im sicheren Umgang mit digitalen Medien zu schulen. Medienkompetenz ist auch Teil des Pflichtfachs Digitale Grundbildung. „Wichtig ist auch die Medienkompetenz der Eltern“, betont die Bildungsdirektion. Ein großer Teil der Mediennutzung finde schließlich im privaten Bereich statt.

Über Cybermobbing aufklären

Gerade jüngeren Nutzerinnen ist häufig gar nicht bewusst, welche Konsequenzen das unbedachte Versenden von herabwürdigenden Nachrichten, Fotos und Videos im Klassenchat haben kann. Mediencoach Iren Schulz: „Es ist wichtig, dass Eltern ihrem Kind vermitteln, dass aus vermeintlichem Spaß schnell Mobbing werden kann, das für die Betroffenen ganz reale Folgen hat, auch wenn es online stattfindet.“

Gleichzeitig müssen Kinder lernen, sich selbst und andere zu schützen. Die Verbreitung von Inhalten über digitale Kanäle bedeutet auch eine Verantwortung. Schulz: „Kinder sollten lernen, sorgsam mit den eigenen Daten und mit denen anderer Menschen umzugehen.“ Das bedeute auch, sich die Zustimmung der abgebildeten Personen einzuholen, bevor die Inhalte weiter versendet werden.

Verschickte Aufnahmen und Screenshots von Nachrichten können nicht immer wieder gelöscht werden: Es besteht das Risiko, dass andere Chatteilnehmerinnen sie als Ausgangspunkt für Cybermobbing nutzen.

  • Broschüre Digital und vernetzt: https://www.aha.or.at/wp-content/uploads/2021/11/Digital-und-Vernetzt_Medienpaedagogische-Angebote_v2.pdf
  • Mehr Informationen zur Mediennutzung ihrer Kinder finden Eltern auf https://www.schau-hin.info/