Bayer Kartonagen: Von der Handwerkskunst zur Industrie

Vorarlberg / 07.11.2024 • 17:05 Uhr
Bayer Kartonagenfabrik
Bayer Kartonagen um 1950. Haymon

Gegründet 1926 von Joseph Bayer, entwickelte sich das Unternehmen vom kleinen Zulieferer der Stickereiindustrie zu einem vielseitigen Betrieb mit Kunden in verschiedenen Branchen.

Lustenau Im Jahr 1913 verließ der 17-jährige Joseph Bayer seine Heimatstadt Tübingen, um nach einer erfolgreichen Gesellenprüfung neue Horizonte zu erkunden. Sein Weg führte ihn ins Rheintal, wo er in der Schweiz bei Dischler Kartonagen anheuerte. Der Erste Weltkrieg zwang ihn jedoch an die Front und unterbrach seine Tätigkeit in der Kartonagenbranche.

Bayer Kartonagenfabrik
Erste Werkstatt um 1930.

Erst 1920, nach einem zweijährigen Aufenthalt in Ulm, kehrte er zu Dischler Kartonagen zurück, welches mittlerweile eine Zweigstelle in Lustenau betrieb. Bereits sechs Jahre später wagte Bayer den Schritt in die Selbstständigkeit. Er übernahm eine Maschine und eine kleine Werkstatt in der Radetzkystraße von FC-Lustenau-Gründungsmitglied Hans Hämmerle, besser bekannt als Rapidles Hans. Mit einem Mitarbeiter begann er, Kartonagen vor allem für die Stickereiindustrie zu produzieren, welche damals eine treibende Wirtschaftskraft in der Region darstellte.

Bayer Kartonagenfabrik
schnelle Lieferungen wurden um 1930 mit einer Rückenkraxe von Viktor, einem Mitarbeiter, persönlich zugestellt.

Der junge Unternehmer belieferte die Stickereien hauptsächlich mit einfachen Schachteln für Bobinen. Doch die wirtschaftlichen Schwankungen der Stickereiindustrie lehrten Bayer, sich nicht auf eine einzige Branche zu verlassen. Rasch erweiterte er daher sein Angebot und nahm auch Verpackungen für die Lebensmittelindustrie in sein Sortiment auf.

Wirtschaftsaufschwung

Der wirtschaftliche Aufschwung der 1930er-Jahre ermöglichte es Bayer, 1929 ein eigenes Grundstück mit Werkstattgebäude zu erwerben. Der Bau, ursprünglich 1903 von Buchbinder Wilhelm Alge errichtet, bot ausreichend Raum für die wachsenden Aufträge. Bayer spezialisierte sich zunehmend auf hochwertige und exklusive Feinkartonagen, die in aufwendiger Handarbeit gefertigt wurden.

Auch während des Zweiten Weltkriegs war das Unternehmen gefragt: Es produzierte spezielle, in Wachs getauchte Dosen für die Rüstungsindustrie und beschäftigte zeitweise bis zu 200 Mitarbeiter. Nach Kriegsende kehrte das Unternehmen zu seiner Kernkompetenz zurück und spezialisierte sich auf Faltprodukte, insbesondere für die Nahrungsmittelindustrie. Bayer Kartonagen stellte etwa Verpackungen für Schmelzkäse her. Auch die Zustellung hatte ihren besonderen Charme, denn schnelle Lieferungen wurden mit einer Rückenkraxe von Viktor, einem Mitarbeiter, persönlich zugestellt.

Bayer Kartonagenfabrik
Mit einer breiten Produktpalette für verschiedene Industrien hat sich Bayer Kartonagen als regionaler Marktführer etabliert. Mennel

Expansion durch Wachstum

Die Nachkriegsjahre brachten rasantes Wachstum mit sich, und die Firma expandierte durch zahlreiche Neubauten und Umbauten am Standort in Lustenau. 1948 entstand ein erstes Gebäude, 1956 und 1967 folgten Erweiterungen, sodass Bayer Kartonagen bald als größte und modernste Kartonagenfabrik Vorarlbergs galt. Mit der Übernahme des Betriebs durch die Söhne Gerhard und Edgar Bayer begann die zweite Generation, die die Firma auch gegen internationale Konkurrenz erfolgreich weiterführte. Heute, fast hundert Jahre nach der Gründung, leitet Joseph Bayer Junior in dritter Generation das Unternehmen. MEC