„Eduard geht dann auch in den Ruhestand“

Nicht nur der berühmte Ganter hatte auf dem 47. Martinimarkt seinen letzten Auftritt.
Dornbirn Ein Martinimarkt ohne altes „Häß“? Helga Steininger (85) winkt ab. „Einmal war ich ohne Kostüm hier und das war gar nichts. Man muss wirklich entsprechend gekleidet sein“, hält die 85-Jährige fest. Das Kostüm, das sie trägt, ist 40 Jahre alt und für einen Martinimarkt eigentlich recht farbenfroh. „Ich war immer schon der bunte Hund auf dem Martinimarkt. Eine Freundin hat es mir extra dafür angefertigt und seither trage ich es.“ Ansonsten dominiert an diesem Morgen im Stadtmuseumspark die Farbe Schwarz. Schwarze Hüte, schwarze Mäntel, schwarze Kleider, schwarze Fracks, schwarze Zylinder, schwarze Pelze. Wobei . . . Ausnahmen bestätigen bekanntlich die Regel.


Claudia Mähr (58) hebt wie zum Beweis ihren Rock. „Heute habe ich etwas Spezielles an“, merkt sie mit einem Schmunzeln an. Zum Vorschein kommt eine etwa knielange, spitzenbesetzte, weiße Leinenunterhose. „Die habe ich letztes Jahr bekommen. Ich komme schon sei 25 Jahren her. Das alte Häß gehört einfach dazu. Die Tasche ist 40 Jahre alt, die habe ich mit meinem ersten Zahltag gekauft.“




Der Dornbirner Martinimarkt startet traditionell um 8.48 Uhr mit dem Treffpunkt für „d’Lüt im alto Häß. Bruno (86) und Annemarie Feurstein (83) sind zum 47. Mal dabei. „Wir kommen immer“, bekräftigt Annemarie Feurstein. „Mir fehlt keiner“, ergänzt ihr Mann. „Etwa 40 Jahre lang bin ich bei der Eröffnung mit dem Hochrad vor der Prominenz hergefahren. Da habe ich viele Hosen verrissen. Darum bin ich immer auf Flohmärkte gegangen und habe geschaut, dass ich wieder zu einer Hose komme. Mittlerweile habe ich einen Gehrock und drei Jacken, aber Hose habe ich immer noch nur noch eine, weil ich zwischendurch alle beim Auf- oder Absteigen vom Rad verrissen habe“, erzählt er und lacht.
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Die Fahrt mit dem Hochrad haben mittlerweile jüngere Mitglieder des Dornbirner Radfahrervereins übernommen. Zur Neubesetzung steht demnächst auch ein anderer Posten am Martinimarkt an. Da Bürgermeisterin Andrea Kaufmann ihr Amt kommendes Jahr an Julian Fässler übergibt, hat auch Ganter Eduard dieses Mal seinen letzten offiziellen Einsatz bei der Eröffnung – denn auch das ist auf dem Dornbirner Martinimarkt Tradition: männlicher Bürgermeister, weibliche Gans. Weibliche Bürgermeisterin, männliche Gans. „Eduard geht dann auch in den Ruhestand. Elf Jahre reichen. Dann gibt es eine weibliche Gans“, sagt „Gänsemama“ Gertraud Meusburger (71). Eine Nachfolgerin für Eduard gibt es noch nicht. „Das ,Martinile‘ lebt zwar noch, aber sie geht auch schon krumm. Im Frühling tun wir vielleicht eine junge Gans her, die wir dann über den Sommer trainieren.“




Es ist kurz vor 9.45 Uhr. Der Wein aus der Schweizer Partnergemeinde Berneck ist gerade noch rechtzeitig zur Eröffnung eingetroffen. „Zwei von uns sind heuer erstmals zu Fuß mit Handwagen und Fass hergelaufen. Sie waren seit 6.15 Uhr unterwegs“, erzählt Markus Schnetzer (47), ein gebürtiger Dornbirner, der in Berneck lebt und im Organisationskomitee für das dortige Torkelfest ist. “Die Dornbirner kommen alle zwei Jahre zu uns aufs Torkelfest und wir kommen auf den Martinimarkt nach Dornbirn. Eine Gemeinsamkeit ist auch das alte Häß”, erläutert er. Dann herrscht plötzlich Aufbruchstimmung.




Um 9.49 Uhr startet der gemeinsame Umzug der “Lüt im alto Häß” zur Stiege des Roten Hauses, wo um 10 Uhr die Eröffnung stattfindet. „Unser Eduard do dunna, der freut sich scho ganz enorm. Er isch hüt ganz brav und prächtig in Form“, meint Bürgermeisterin Andrea Kaufmann bei ihrer letzten Martinimarkt-Eröffnungsrede in Gedichtform. Und so ist es dann auch. Der Ganter lässt sich bei seinem letzten Auftritt anstandslos an die Bürgermeisterin übergeben. Noch ein Selfie mit Eduard, dann ist der Martinimarkt offiziell eröffnet und die Menge jubelt. „Jo bloß nid lumpa lo, g’hörig ga feschta go, denn weogod deam siond mior jo alle ko!“




