Vorarlberg auf Pillen: Sind Schmerzmittel und Antidepressiva auf dem Vormarsch?

Ein Drogenmonitoring zeigt, welche und wie viele Medikamente in Vorarlberg verwendet werden.
Bregenz Über 75 Kilogramm Schmerzmittel werden durchschnittlich pro Tag von den Vorarlbergern eingeworfen, dazu kommt über ein Kilo Antidepressiva. Diese Zahlen liefert ein 2024 durchgeführten Drogenmonitoring, welches neben legalen Suchtmitteln und illegalen Drogen auch den Konsum von Schmerzmitteln und Psychopharmaka beobachtete.
Schmerzmittel
Die Zahlen basieren auf der mittleren konsumierten Menge in Gramm, die sich auf den reinen Wirkstoff beziehen. Es kann bei den Werten zu Schwankungen kommen.
Deutlich auf dem ersten Platz landet das Schmerzmittel Paracetamol mit einer täglich konsumierten Durchschnittsmenge von 75.300 g. Auf dem zweiten Platz folgt das Lokalanästhetikum Lidocain mit einer Menge von 171 g, drittes im Ranking ist das Schmerzmittel Morphin mit 139 g.
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Paracetamol wird für die Behandlung leichter bis mäßig starker Schmerzen verwendet, das Anästhetikum Lidocain kommt zum Beispiel in der Zahnmedizin für kleinere operative Eingriffe zum Einsatz. Neben der Verwendung als Schmerzmittel wird Morphin auch für die Substitutionsbehandlung von Personen mit Opioid-Abhängigkeit (etwa Heroin) verwendet. Die beobachteten Morphinmengen weichen stark von der offiziellen Anzahl an Personen ab, die in Vorarlberg mit dem Opioid substituiert werden. Dies kann mit der Verwendung als Schmerzmittel zusammenhängen, zudem ist Morphin (genauer Morphin-3-Glucuronid) ein Konsummarker für Heroin.
Gut zu wissen
Paracetamol: Schmerzlinderndes und fiebersenkendes Nichtopioid-Analgetika, das Schmerzbotenstoffe hemmt. Rezeptfrei in kleinen Dosen.
Lidocain: Ein Lokalanästhetikum, das gezielt die Schmerzleitung in einem bestimmten Körperbereich blockiert, ohne das Bewusstsein zu beeinflussen. Rezeptpflichtig als Injektion, teilweise rezeptfrei als Creme und Spray erhältlich.
Morphin: Ein Hauptalkaloid des Opiums, das als Schmerzmittel bei besonders starken Schmerzen wie schweren Verletzungen oder Krebs verwendet wird. Rezeptpflichtig, und unterliegt dem Suchtmittelgesetz.
Psychopharmaka
Bei den Psychopharmaka führt das Neuroleptikum Quetiapin mit einer täglich konsumierten Durchschnittsmenge von 1390 g. Darauf folgt das Antikonvulsivum Gabapentin mit 1210 g pro Tag, auf dem dritten Platz liegt das Antidepressivum Venlafaxin mit 1140 g.
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Die beiden Antidepressiva Venlafaxin und Citalopram wiesen laut des Abwassermonitorings vergleichsweise hohe Pro-Kopf-Konsummengen auf. Damit würden schätzungsweise 3 Prozent der Vorarlberger Bevölkerung die beiden Medikamente einnehmen. Die Schlafmittel Oxazepam und Zolpidem werden von schätzungsweise 1,5 Prozent der Bevölkerung verwendet. Beides unterliegt aufgrund des hohen Abhängigkeitspotentials dem Suchtmittelgesetz.
Gut zu wissen
Quetiapin: Ein Neuroleptikum, das zur Behandlung von Schizophrenie und als Stimmungsstabilisierer bei bipolarer Störung sowie manischen und depressiven Episoden verwendet wird.
Gabapentin: Ein Antikonvulsivum, welches zur Behandlung von Epilepsie und neuropathischer Schmerzen verwendet wird.
Venlafaxin: Ein Serotonin-Noradrenalin-Wiederaufnehmer, womit Depressionen und Angsterkrankungen behandelt werden.
Meinung eines Experten
Doch wie alarmierend sind diese Zahlen wirklich? Christof van Dellen, Präsident der Apothekerkammer Vorarlberg und Leiter der Kurapotheke Schruns, sieht diese Zahlen gelassen. “Mich hat die Zahl für die Verwendung von Paracetamol nicht beeindruckt”, meint van Dellen. “Wir haben nicht festgestellt, dass es bei Paracetamol zu einem Missbrauch kommt. Es ist ein gängiges Mittel für Schmerzen und Fieber. Gerade in der Grippezeit wird es gerne eingenommen.”

Bei den Psychopharmaka wie dem Antidepressivum Venlafaxin zeigt sich ein ähnliches Bild. “Wir haben seit der COVID-Pandemie einen Anstieg der Verwendung von Antidepressiva bemerkt”, erklärt van Dellen. “Aber die Zahlen bewegen sich alle in einem annehmbaren Rahmen.”
Tatsächlich könnte der Einsatz von Psychopharmaka auch positive Tendenzen aufzeigen. Zum Beispiel würden mittlerweile mehr Menschen Hilfe bei psychischen Erkrankungen aufsuchen und annehmen. Es könnte auch darauf hindeuten, dass das gesellschaftliche Tabu rund um psychische Probleme allmählich aufbricht.
Monitoring
Das abwasserbasierte Drogenmonitoring wurde Anfang Juli 2024 durchgeführt. Die Wasserproben wurden an sieben aufeinanderfolgenden Tagen aus den 17 größten Kläranlagen Vorarlbergs entnommen. Somit sind 97 Prozent der Vorarlberger Bevölkerung abgedeckt. VN-SCN