“Tierisch interessant”: Sind Wohnungskatzen arm?

Immer wieder treffe ich Katzenbesitzer mit schlechtem Gewissen, weil ihre Samtpfoten nicht ins Freie dürfen. Berechtigt?
Schwarzach Wenn Sabrina Magler abends von der Arbeit heimkommt und den Schlüssel ins Türschloss steckt, stürmen Clooney und Feli sofort los. Die beiden Katzen empfangen sie an der Tür und wollen mit Streicheleinheiten begrüßt werden. Mäusejagd und Streifzüge durchs Revier? Kennen sie nicht. Ihre Welt ist 83 Quadratmeter groß. Manchmal plagt Sabrina Magler deswegen ein schlechtes Gewissen, manchmal bekommt sie auch abfällige Kommentare zu hören. Ist Freigang für Katzen tatsächlich besser?

Nicht per se. Ob Mähmaschinen, Autos oder die Regenwassertonne – gefährlicher ist es draußen definitiv. Wer je seine Katze mehrere Tage lang vermisst hat, kennt die Sorgen zu gut. Gerade im ersten Lebensjahr, wenn Neugier und Unerfahrenheit zusammentreffen, passieren die meisten Unfälle. Knapp 200 Katzen sterben jeden Tag auf Österreichs Straßen. Ein Risiko, das Wohnungskatzen erspart bleibt.

Es gibt aber noch einen weiteren Aspekt, den es beim Freigang zu bedenken gilt: Katzen jagen. Ich weiß von vielen Katzenbesitzern, dass sie selbst ganz unglücklich sind, wenn ihr Liebling ein junges, gerade noch piepsendes Spatzenkind unter den Esstisch legt. Und weil es so viele Katzen gibt (zählen Sie gedanklich mal durch, wie viele es in Ihrer Straße sind), hat das inzwischen einen erheblichen Einfluss auf die Artenvielfalt. Katzen können kleine Populationen, beispielsweise von Zauneidechsen, problemlos auslöschen. In Wohngebieten holen sie sich im Schnitt 40 Prozent der Jungvögel. Hinzu kommt der Schaden, der allein durch ihre Anwesenheit angerichtet wird. Vogeleltern trauen sich oft nicht, die Jungen im Nest zu füttern, wenn unten im Garten eine Katze herumschleicht. Ein unterschätztes Dilemma, das kaum jemand bei der Anschaffung einer Katze bedenkt.

Um zumindest die unkontrollierte Vermehrung von Katzen besser in den Griff zu bekommen, ist es in Österreich Vorschrift, jede Freigängerkatze (Kater sind mitgemeint) kastrieren zu lassen. „Muss das wirklich sein?“, fragen mich Besitzer immer wieder. Stimmt schon, eine Kastration ist ein massiver Eingriff in die Natur des Tieres. Aber die Vorteile überwiegen, denn durch mehrere Würfe im Jahr explodiert die Anzahl von Katzen. Fühlt sich niemand zuständig, sterben Katzenkinder erbärmlich an leicht therapierbaren Infektionen. Außerdem landen Jahr für Jahr zahllose junge Katzen im Tierheim, wo sich Mitarbeiter aufopfernd kümmern und speziell im Frühling an ihre Belastungsgrenzen stoßen. Die Kosten dafür, dass sich Einzelne das Kastrieren sparen, trägt am Ende die Allgemeinheit. Will man die Zahl der Freigängerkatzen nachhaltig senken, kommt man an den Themen „Chippflicht“ und „Katzensteuer“ wohl nicht vorbei.
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Zurück zur Wohnungshaltung. Für Katzen, die indoor geboren wurden oder als Katzenkinder in die Wohnung kamen, ist es kein Problem, wenn sie für immer drinnen bleiben. Zwar stimmt es, dass Verhaltensprobleme wie Unsauberkeit, Aggressionen oder nächtliches Maunzen tendenziell eher bei Wohnungskatzen auftauchen. Aber dem kann man mit einem katzengerechten Lebensraum mit Kratzbäumen, erhöhten Liegeflächen, Aussichtsmöglichkeiten und extra viel Menschenkontakt vorbeugen. Ausflüge auf den Balkon oder kontrollierter Freigang im Garten können das Katzenleben zusätzlich bereichern.
Die Serie „tierisch interessant“ wird unterstützt vom Land Vorarlberg