Vermögensübergabe zu Lebzeiten: “Das verhindert oft Streitigkeiten im Nachhinein”

Vorarlberg / 16.02.2025 • 10:00 Uhr
Vermögensübergabe zu Lebzeiten: "Das verhindert oft Streitigkeiten im Nachhinein"
Eine frühzeitige Nachlassregelung kann Erbstreitigkeiten verhindern und klare Verhältnisse schaffen – doch es gibt einiges zu beachten, weiß Notar Richard Forster. VN/Stiplovsek


Eine frühzeitige Vermögensübergabe und Schenkungen zu Lebzeiten können nicht nur finanzielle Vorteile bieten, sondern auch Familienstreitigkeiten verhindern, wie Notar Dr. Richard Forster aus seiner Praxis berichtet.

Darum geht’s:

  • Frühzeitige Nachlassregelung vermeidet Familienstreitigkeiten.
  • Gut geplante Schenkung kann Vorteile bieten.
  • Interview mit Notar Dr. Richard Forster.

Feldkirch Ein Baugrund für das eigene Kind, die Übergabe des Elternhauses oder eine Schenkung aus steuerlichen Gründen – viele Menschen spielen mit dem Gedanken, ihren Nachlass frühzeitig zu regeln. Doch wann ist der richtige Zeitpunkt? Und welche Fallstricke gibt es dabei zu beachten? Die VN haben mit Notar Dr. Richard Forster gesprochen, der aus seiner langjährigen Praxis berichtet, warum eine gut geplante Schenkung nicht nur finanzielle Vorteile bringen kann und wie eine frühzeitige Nachlassregelung Familienstreit verhindern kann.

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Wann ist es sinnvoll, eine Schenkung oder eine Übergabe zu Lebzeiten in Betracht zu ziehen?

Forster Es gibt mehrere Faktoren, die berücksichtigt werden müssen. Einerseits spielen steuerliche Aspekte eine Rolle, andererseits ist es oft eine Frage des Bedarfs. Zum Beispiel, wenn jemand ein Grundstück für den Hausbau benötigt. Auch die Nachlassregelung innerhalb der Familie kann ein Grund sein. Man darf aber nicht nur aus steuerlichen Gründen schenken – es muss insgesamt passen, auch zivilrechtlich und familiär. Ein häufiger Anlass ist etwa, wenn ein Kind eine Familie gründet und Wohnraum benötigt. Dann kann es sinnvoll sein, bereits zu Lebzeiten eine Übertragung vorzunehmen.

Welche Vorteile hat eine solche Schenkung zu Lebzeiten?

Forster Zum einen wird der konkrete Bedarf gedeckt – beispielsweise muss ein Kind dann keine Mietwohnung nehmen. Zum anderen ist die derzeitige steuerliche Situation in Österreich besonders günstig für Schenkungen. Das kann sich je nach Regierung ändern. Ein weiterer Vorteil ist der Rechtsfrieden innerhalb der Familie: Bei einer lebzeitigen Übergabe sitzen alle Beteiligten gemeinsam am Tisch und können sich über eine faire Aufteilung einigen. Das verhindert oft Streitigkeiten im Nachhinein.

Gibt es in Österreich eine Anzeigenpflicht bei Schenkungen?

Forster Grundsätzlich gibt es in Österreich derzeit weder eine Schenkungs- noch eine Erbschaftssteuer. Schenkungen sind daher steuerfrei – mit Ausnahme von Immobilien. Allerdings gibt es eine Meldepflicht: Werden innerhalb von 365 Tagen mehr als 50.000 Euro an eine einzelne Person verschenkt, muss das dem Finanzamt gemeldet werden. Wird diese Anzeige unterlassen, begeht man ein Finanzstrafdelikt und muss mit einer Strafe rechnen, die zehn Prozent der Schenkungssumme beträgt. Das ist ein Punkt, den man unbedingt beachten sollte.

Vermögensübergabe zu Lebzeiten: "Das verhindert oft Streitigkeiten im Nachhinein"
Derzeit ist die steuerliche Situation in Österreich besonders günstig für Schenkungen, sagt Forster.

Was muss man beachten, wenn Immobilien zu Lebzeiten übertragen werden?

Forster Das kommt auf die individuelle Situation an. Manche Eltern möchten weiterhin in der Immobilie wohnen. In diesem Fall kann eine Übergabe erfolgen, während sie sich ein Fruchtgenuss- oder Wohnrecht vorbehalten. Wenn es sich um einen unbebauten Bauplatz handelt, kann auch eine reine Schenkung in Betracht gezogen werden. Es ist jedoch möglich, dabei bestimmte Bedingungen zu stellen, etwa ein Veräußerungs- oder Belastungsverbot, das den Verkauf ohne Zustimmung der Eltern verhindert. Auch Vorkaufsrechte für Geschwister können sinnvoll sein. Eine weitere wichtige Überlegung ist, was passiert, wenn der Beschenkte vor dem Schenkenden verstirbt – soll die Immobilie dann zurückfallen oder vererbbar sein?

Sollte eine solche Schenkung auf das spätere Erbe angerechnet werden?

Forster Ja, das ist eine wesentliche Überlegung. Wenn ein Kind zu Lebzeiten bereits eine Immobilie erhält, stellt sich die Frage, ob dies mit dem Erbe verrechnet wird. Das bedeutet, dass die anderen Erben möglicherweise entsprechend mehr erhalten. Das sollte vorab klar geregelt werden, um spätere Unstimmigkeiten zu vermeiden.

Gibt es Möglichkeiten, eine Immobilie an die nächste Generation zu übergeben und trotzdem ein Wohnrecht zu behalten?

Forster Ja, das kommt in der Praxis sehr häufig vor. Viele nutzen die derzeit günstige Steuersituation, behalten aber ein Wohnungsgebrauchs- oder Fruchtgenussrecht. Für den Alltag ändert sich dadurch wenig – die Immobilie kann wie gewohnt genutzt werden. Der einzige Unterschied ist, dass man als ehemaliger Eigentümer die Immobilie nicht mehr verkaufen kann. Das ist der entscheidende Punkt: Man gibt das Eigentumsrecht ab und kann die Immobilie nicht mehr verkaufen, um beispielsweise eine höhere Pflegefinanzierung zu ermöglichen.

Vermögensübergabe zu Lebzeiten: "Das verhindert oft Streitigkeiten im Nachhinein"
Forster ist seit über 30 Jahren Notar.

Sind die Vorarlberger Ihrer Erfahrung nach eher vorsichtig oder offen, wenn es um Schenkungen und Übergaben zu Lebzeiten geht?

Forster Ich erlebe viele Menschen, die sich frühzeitig mit dieser Frage beschäftigen und offen für eine Regelung zu Lebzeiten sind. Natürlich gibt es Unterschiede zwischen den Generationen. Besonders ältere Menschen, die den Krieg erlebt haben, sind oft zurückhaltender und möchten sich mehr Zeit für eine Entscheidung nehmen. Das ist verständlich und muss respektiert werden. Insgesamt sehe ich aber eine Offenheit für dieses Thema. Wichtig ist, dass Vor- und Nachteile gut abgewogen werden und eine fundierte Beratung erfolgt.

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Lesen Sie im dritten Teil am 23. Februar (online) und am 24. Februar (VN-Print): Digitaler Nachlass – So regeln Sie Ihr Social-Media-Erbe.