Aus „Abfall“ werden Pötschle und Rucksäcke

Partnerinnen unterstützen Ingo Metzler bei der sinnvollen Verwertung von Kitzfellen.
Egg Nachhaltigkeit stand vor 40 Jahren am Anfang eines Geschäftsmodells des Egger Landwirts und Unternehmers Ingo Metzler. Also tüftelte er akribisch an Möglichkeiten, bei der Käseproduktion anfallende Molke zu nutzen. Diese wurde bis dahin an eigenes Vieh verfüttert, an Tierfutter-Produzenten geliefert oder im Extremfall sogar weggeschüttet.

Zeit ist reif für neue Ideen
Keine 20 Jahre war er jung, als er Obmann der Jungbauernschaft-Landjugend wurde. Als solcher machte er sich getreu dem Motto „gemeinsam sind wir stark“ daran, mit Gleichgesinnten revolutionäre Ideen zu entwickeln und umzusetzen. Legendär die „Pressekonferenz“ auf einem Vorsäß im hintersten Winkel von Schetteregg, bei der die „Revoluzzer“ ihre Vorstellungen darlegten. „Die Zeit ist reif für neue Ideen“, ließ Metzler im Brustton der Überzeugung wissen.

Zu schade für Schweinefutter
Seine Vision: „Molke ist zu schade, um an Schweine verfüttert zu werden, daraus lässt sich Wertvolleres machen.“ Er begann zu tüfteln und experimentieren – er kreierte einen Molke-Drink und entwickelte Pflege- und Kosmetikprodukte, um damit 1992 den Durchbruch zu schaffen: Der landwirtschaftliche Innovationspreis wirkte als Turbo – „plötzlich war ich in aller Munde, man interessierte sich für Molke-Produkte und das ermöglichte den Aufbau des heutigen Betriebes.“ Mehr als drei Dutzend Mitarbeitende sind heute im Vorzeige-Unternehmen tätig – Vorzeige im wahrsten Sinne des Wortes, denn der Betrieb setzt auf totale Transparenz: Tausende Besucher bekommen Jahr für Jahr einen hautnahen Einblick in betriebliche Abläufe vom Ziegentollhaus über die Produktion von Kosmetik- und Pflegeprodukten bis zum Versand.

Eine neue Produktlinie
Seit einiger Zeit finden Besucher im Hofladen eine neue Produktlinie: Pötschle, Rucksäcke, Taschen und ähnliche Accessoires aus Kitzfell. Heute stehen mehr als 100 Ziegen im Ziegentollhaus, weitere 500 in den Ställen der zehn Partnerbetriebe, die ihre Ziegenmilch an Metzler liefern. „Das heißt aber auch, dass jedes Jahr rund 1000 Kitze zur Welt kommen – männliche Tiere werden nach drei bis vier Monaten geschlachtet und das Fleisch vermarktet. Dass Felle als Abfall entsorgt werden mussten, hat mich immer schon geärgert und ich suchte nach Verwertungsmöglichkeiten“, erläutert Metzler und ergänzt, „dass dies früher in der Landwirtschaft gang und gäbe war, heute aber kaum mehr jemand zu finden ist, der die Felle gerben kann – und dann brauchte es auch noch jemanden, der die gegerbten Kitzfelle verarbeitet“. Durch Zufall fanden drei Partner zusammen: „Ich fand einen kleinen Betrieb, der Kitzfelle gerbte und zwei innovative Frauen in allernächster Nähe, die Verwendung für die Felle hatten.“
Da ist zum einen Raphaela Schiretz aus Egg, die Kitzfelle zu Taschen, Rucksäcken und Ähnliches verarbeitet und zum anderen vor allem Anja Schneider, ebenfalls aus Egg. Zur Geburt ihres ersten Kindes bekam sie originelle Pötschle geschenkt, die ihr so gut gefielen, dass sie – als Sohn Pirmin aus den Baby-Pötschle herausgewachsen war – vergeblich nach größeren Pötschle suchte. Also setzte sie sich kurzerhand an die Nähmaschine, um selbst solche zu nähen. Nach anfänglichen Rückschlägen (Anja Schneider: „Die ersten Modelle waren zum Wegwerfen.“) entstanden bald kleine Kunstwerke, die bei Verwandten, Freundinnen und Bekannten auf großes Interesse stießen. Eine Idee hat sich entwickelt – heute steht Anja Schneider in ihrem eigenen Laden, dessen Hauptartikel eben Wälder-Pötschle sind, hergestellt in einer kleinen Werkstatt neben dem Verkaufslokal. STP