„Oft muss ein Kind sehr schnell in einem anderen Umfeld untergebracht werden“ – Claudia Hinteregger-Thoma über ihre 40 Jahre im Kinderdorf

Claudia Hinteregger-Thoma leitet die Pflegekinderhilfe des Vorarlberger Kinderdorfs.
Bregenz Erste Wahl war das Vorarlberger Kinderdorf für Claudia Hinteregger-Thoma (60) nicht. Zumindest damals nicht, als die Welt das Jahr 1985 schrieb. Die frischgebackene Sozialpädagogin hatte andere Einrichtungen im Auge. Dort gab es allerdings keine freien Stellen. „Es war zu der Zeit überhaupt schwierig, in meinem Beruf etwas zu finden“, erzählt sie.

Ihre Mutter stupste sie beständig an, endlich einen Job zu suchen. Deshalb bewarb sich Claudia dann doch beim Vorarlberger Kinderdorf, nachdem sie ein entsprechendes Inserat in der Zeitung gesehen hatte. Nicht weniger als 40 Jahre sind seitdem ins Land gezogen, und Hinteregger-Thoma ist immer noch fester Bestandteil des Kinderdorf-Teams und immer noch mit ungebrochenem Elan für Kinder da, die Unterstützung brauchen. Rund 30 Jahre leitete sie die Auffanggruppe, seit Jänner 2024 ist sie für die Pflegekinderhilfe im Einsatz.

Unterschiedliche Pflegschaften
Claudia Hinteregger-Thoma hat es sich zur Aufgabe gemacht, Familien zu finden, die Kindern kurz oder über längere Zeit ein sicheres Zuhause geben. Heute, Mittwoch, 19. März 2025, findet in der Paedakoop in Schlins ein weiterer Pflegeeltern-Infoabend statt. „Interessierte erwartet eine umfassende Übersicht über die Möglichkeiten, sich im Rahmen der Pflegekinderhilfe in Vorarlberg zu engagieren“, macht sie gerne Werbung in eigener Sache. Schließlich geht es um das Wohl von Kindern, und das liegt ihr am Herzen. Die Sozialpädagogin und Psychotherapeutin ist stets aufs Neue vom Lebenswillen beeindruckt, den Kinder selbst in schwierigen familiären Situationen zeigen. „Das gibt auch mir Mut und Kraft, weiterhin für sie einzutreten“, sagt Hinteregger-Thoma ohne Pathos.

Schon während des Schnupperns im Kinderdorf zeigte sich die junge Frau angetan. „Die Krisenarbeit ist meins“, stellte sie alsbald fest. Die neue Mitarbeiterin blieb in der Auffanggruppe und absolvierte berufsbegleitend verschiedenste Zusatzausbildungen. Ab 2000 brachte sie sich im Ausbau der Begleitung von Krisenfamilien ein. Der Begriff hat jedoch ausgedient. Jetzt nennt sich das Modell „Bereitschaftspflege“, und bereit müssen Familien sein, die sich dieser besonderen Aufgabe stellen, denn: „Oft muss ein Kind sehr schnell in einem anderen Umfeld untergebracht werden“, sagt die Leiterin der Pflegekinderhilfe.

Dabei hilft, dass es inzwischen mehr und unterschiedliche Pflegschaftsformen gibt. So können sowohl Paare bzw. Familien als auch Einzelpersonen unabhängig von Geschlecht, Herkunft oder Familienstand als Pflegeeltern fungieren. „Wir haben auch gleichgeschlechtliche Paare, die Pflegekinder aufgenommen haben“, berichtet Claudia Hinteregger-Thoma. Die Erfahrungen beschreibt sie als sehr positiv. In solchen Fällen holt sie jedoch stets die Zustimmung der leiblichen Eltern ein.

Nachdenkprozesse
Zweimal jährlich finden Kurse statt, in denen angehende Pflegeeltern auf ihre Aufgabe vorbereitet werden. Trotz der Herausforderungen, die dieses Engagement mit sich bringt, erstaunt es Hinteregger-Thoma, dass sich immer Interessierte finden: „Das ist einfach toll!“ Gleichzeitig gesteht sie ihnen während der Bewerbungsphase gerne Nachdenkprozesse zu. „Es geht um ein grundsätzliches Ja zur Pflegeelternschaft, da sollte man sachte mit sich umgehen“, lautet ihr Credo. Aktuell leben 195 Kinder im Alter zwischen 0 und 21 Jahren in Pflegefamilien. Großen Wert legt Claudia Hinteregger-Thoma auf die Zusammenarbeit mit den leiblichen Eltern der Kinder. Ihnen aufrichtig und wertschätzend zu begegnen ermögliche ein gelingendes Miteinander. Sie selbst schöpft Energie aus vielen positiven Beispielen, die zeigen, dass selbst aus der schlimmsten Krise noch etwas Gutes erwachsen kann. „Zu wissen, eine Krise ist nicht das Ende, hilft“, sagt Hinteregger-Thoma. Ist für sie Feierabend, kann sie abschalten. „Das musste ich aber auch erst lernen“, fügt sie schmunzelnd an.
Zur Person
Claudia Hinteregger-Thoma
Alter 60
Wohnort Lochau
Beruf Sozialpädagogin und Psychotherapeutin
Hobbys Wandern, Reisen, Lesen, Yoga, Meditieren
Familienstand verheiratet, Sohn Julian (17)
Infoabend 19. März 2025, ab 19 Uhr, Paedakoop Schlins, keine Anmeldung erforderlich