Eine ganz besondere Schatzkammer: Besuch beim Sommelier des Jahres

Josef Neulinger hat für die VN die Weinkellertüren im Almhof Schneider geöffnet.
Lech Im Weinkeller des Almhof Schneider in Lech liegen knapp 35.000 Flaschen. Josef Neulinger hat so ziemlich jeden Wein hier mindestens einmal selbst getrunken oder gekostet, zu fast jedem hat er einen persönlichen Bezug. „Ein Sommelier ist nichts anderes als ein Bindeglied zwischen dem Produzenten und demjenigen, der den Wein trinken möchte. Darum ist es meiner Meinung nach sehr wichtig, dass man weiß, wer der Mensch ist, der sich ein Jahr lang abgeplagt hat, damit er etwas in die Flasche bekommt. Ich kenne zu 80 Prozent die Personen, die den Wein machen und die Regionen, weil ich selbst immer wieder hinfahre“, erzählt der 44-Jährige.

Josef Neulinger arbeitet seit 24 Jahren im Almhof Schneider. Soeben wurde er vom Falstaff zum Sommelier des Jahres gekürt. Das Magazin überschlägt sich mit Lobeshymnen und spricht von „einer der tiefgründigsten und vielfältigsten Weinkarten der Alpen“. Der gebürtige Oberösterreicher verstehe es, einem einen Wein um kaum 50 Euro mit vergleichbarer Freude an der Materie ans Herz zu legen wie die edelsten Jahrgänge der High-End-Weine. Fazit: „Jedes Glas Wein wird hier zu einem Erlebnis.“

Die Wein-Schatzkammer des Almhof besteht aus einem Hauptkeller und zwei, etwas einfacher gestalteten Arbeitskellern. „Das einzig Elektrische, das wir haben, ist das Licht. Der Rest ist alles Natur“, sagt Josef Neulinger und zeigt auf einen Felsen im hinteren Bereich des Hauptkellers. „Das ist im Prinzip die Böschung rauf in Richtung Madlochblick. Durch den Felsen bekommen wir Wasser und damit eine natürliche Luftfeuchtigkeit rein. Der Lehmputz kann die Feuchtigkeit super aufnehmen und gibt sie auch wieder langsam ab. Wir haben auch das ganze Jahr über einen Temperaturmittelwert von rund zwölf Grad. Das ist super, weil die Weine so langsam reifen. Viele Sachen, die wir einkaufen, bleiben oft zehn Jahre liegen, bevor sie auf die Karte kommen.“


Damit ein Wein überhaupt eine Chance hat, bei Neulinger im Keller zu landen, muss er im Weingarten und nicht im Keller gemacht sein, eine Persönlichkeit haben und die Herkunft widerspiegeln. „Es können auch einfache, leichte Weine sein, die begeistern“, unterstreicht der 44-Jährige.

Die Weinkarte des Fünf-Sterne-Superior-Hauses umfasst knapp 1200 Positionen. Der Fokus liegt auf Europa. Der günstigste Wein kostet 39 Euro, der teuerste 39.000 Euro. Bei letzterem handelt es sich um einen Romanée-Conti der Domaine Romanée-Conti, Jahrgang 1990. „Dieser Wein hat vor ein paar Jahren auf einer Auktion in Singapur 36.000 Euro erzielt. Solche Auktionen regulieren den Markt. Wir sind bei diesen Weinen immer ein bisschen unter dem aktuellen Marktpreis“, erläutert der Almhof-Chefsommelier. Die Domaine de la Romanée-Conti gilt als Synonym für ikonischen Weltklasseweine. In derselben Preisklasse gäbe es aber viele Weine, sagt Neulinger.

Hinter den Rotweinen lagern die Schaumweine. Als Beispiel für einen ikonischen Schaumwein zieht der Weinexperte einen Salon Clos du Mesnil aus dem Regal. Der Wein wird nur in kleinsten Mengen und in den besten Jahrgängen produziert. „Es gibt aber auch in Österreich fantastische Schaumweine. Da brauchen wir uns nicht zu verstecken. Wir haben internationale Gäste, die sagen, sie würden gerne einen Schaumwein aus Österreich trinken“, merkt Neulinger an.

Die Saison im Almhof Schneider dauert bis 6. April. Den Frühling, Sommer oder Herbst nutzt der 44-Jährige, um die Kontakte zu den Produzenten zu pflegen. Bei den Besuchen immer mitdabei: eine Tube „Elmex fluid“. „Wenn man aus dem Fass kostet, ist das auch eine Challenge für die Zähne und für das Zahnfleisch, weil viele Weine noch keine malolaktische Gärung hinter sich haben. Da ist es gut, wenn man so eine Tube dabei hat“, begründet der Sommelier des Jahres und lacht.
