Großes Aufbäumen auf Hochreute: “Es ist brutal, wenn du zusehen musst, wie das Lebenswerk wegbricht”

Hörbranzer pflanzen 1500 Bäume auf dem Problemhang. Nächste Woche geht es weiter.
Hörbranz Friedl Matt (85) hat noch alles genau vor Augen. “Hier heroben war der Sitz. Das war eine Wiese von über einem Hektar”, erzählt der Hörbranzer und zeichnet dabei mit dem Finger das Gebiet nach. Denn mittlerweile existiert der Sitz nur noch in seinen Erinnerungen. Statt einer Wiese befindet sich hier jetzt eine Baustraße.

Friedl Matt ist auf dem Hof an der Hochreute aufgewachsen, der durch den Hangrutsch vor zwei Jahren komplett zerstört wurde. Auch die kleine Kapelle, die der heute 85-Jährige auf Wunsch seiner Mutter gemeinsam mit seinen Geschwistern 1963 erneuert hat, wurde peu à peu fortgeschwemmt. “Es war einer der wenigen Höfe, der arrondiert war”, merkt er an. Insgesamt zehn Hektar Wald und Felder lagen gebündelt um den Hof herum, alles an einem Stück. Heute ist Friedl Matt da, um bei der Aufforstung des Hangs mitzuhelfen.

Der Hang ist Ende April 2023 ins Rutschen geraten. Fünf Hektar Wald hinter dem Hof der Matts wurden dadurch ruiniert. Seither klafft an der Hochreute eine weithin sichtbare große braune Wunde. Am Dienstagabend lud die Gemeinde zum gemeinsamen Aufforsten mit der Bevölkerung. “Es waren so viele Anfragen da, dass wir die Aktion nächste Woche wiederholen”, berichtet Bürgermeister Andreas Kresser.

Dietmar Birkel ist mit Tochter Xenia (12) gekommen. “Wir sehen den Hang jeden Tag. Ich fand das Aufbäumen eine coole Idee und hoffe, dass der braune Fleck dadurch ein bisschen schneller grün wird. Derzeit schaut es aus wie in einem Steinbruch”, sagt Birkel. Ein paar Meter weiter macht sich Norbert Ratz, der Obmann des Ringervereins, zu schaffen. Auch er hat den Hang praktisch vor der Haustür. Auch er möchte mit der Teilnahme an der Wiederaufforstung einen gesellschaftlichen Beitrag leisten. “Es gibt eigentlich kein besseres Zeichen für Zusammenhalt und Unterstützung. In der heutigen Zeit ist das leider nicht mehr so selbstverständlich. Ich sehe von meinem Haus direkt hier herauf. Man hat in den Katastrophentagen hautnah miterleben müssen, was die Betroffenen mitmachen. Es ist brutal, wenn du zusehen musst, wie das Lebenswerk wegbricht”, schildert er.

In den letzten zwei Jahren wurden in die Rutschung Hochreute knapp 3,8 Millionen Euro investiert. “4,6 Millionen Euro wurden veranschlagt, 800.000 Euro davon haben wir noch übrig”, rechnet Thomas Frandl von der Wildbach- und Lawinenverbauung vor. Für den zweiten Rutschungsarm in Richtung Eplisgehrbach haben Bund, Land und Gemeinde weitere 3,5 Millionen Euro zur Verfügung gestellt.

In der schlimmsten Phase hat sich der Hang bis zu 13 Meter am Tag bewegt. Derzeit seien bis auf eine Ausnahme alle Messpunkte ruhig, erläutert Landesgeologe Samuel Rothmund. “Der Arm in Richtung Eplisgehrbach bewegt sich immer noch fünf bis sechs Zentimeter pro Monat, aber da kann man im Moment nichts machen und unten ist auch nichts gefährdet. Es ist wie ein Gletscher, der sich ganz langsam hinunterschiebt.”

Insgesamt stehen an diesem Dienstag 1500 Jungbäume, Stecklinge und Sträucher bereit. Der Hang soll damit langfristig stabilisiert werden. “Immer zehn Stück pro Baumart in einem Trupp pflanzen, möglichst gerade und immer zwei Stillängen voneinander entfernt. Wichtig ist, dass man am Schluss alles fest andrückt und dass es eine Mulde gibt, damit sich Wasser sammelt. Qualität geht vor Quantität”, gibt Christian Natter vom Landesforstdienst die Marschrichtung vor. Auch Waldverein-Geschäftsführerin Sylvia Rickmann ist voller Tatendrang. “Wir haben jetzt zwei Jahre verfolgt, was hier passiert und waren so hilflos. Jetzt kann man endlich etwas tun”, unterstreicht sie.









