Insekt bedroht Kartoffel- und Gemüseernte: “Wir haben nichts mehr, um die Pflanzen zu schützen”

Landwirtschaft schlägt Alarm. Warum die Zikadenart ein großes Problem darstellt.
Schwarzach Die Horrormeldungen reißen nicht ab. Zuerst wurden Zuckerrüben weich wie Gummi, dann Kartoffeln, nun sind auch Zwiebeln, Sellerie, Rote Bete, Kohl, Karotten sowie teils Rhabarber und Paprika betroffen. Der Präsident des deutschen Bauernverbandes, Joachim Rukwied, macht sich „sehr große Sorgen“. Das baden-württembergische Landwirtschaftsministerium spricht von einer „ernsten Bedrohung“ für die Versorgung mit heimischen Kartoffeln, heimischem Gemüse und Zucker. Übeltäter ist die Schilf-Glasflügelzikade. Sie saugt an den Pflanzen und überträgt dabei Bakterien.

In Vorarlberg sei der Schädling noch kein Thema, sagt Christian Meusburger, Leiter des Bereichs Pflanzenbau und Tierhaltung in der Landwirtschaftskammer Vorarlberg. „Aber man weiß nie, was auf uns zukommt.“ Die Schilf-Glasflügelzikade treibt in der Nachbarschaft grundsätzlich schon länger ihr Unwesen, relativ neu sei jedoch, dass keine wirksamen Pflanzenschutzmittel mehr zur Verfügung stehen. „Man verbietet immer mehr und versucht, immer mehr vom Markt zu nehmen. Wenn dann irgendwann eine Krankheit aufkommt, haben wir nichts mehr, um die Pflanzen zu schützen“, erläutert er.

Natürlich seien Insektizide ein heikles Thema, weil sie nicht nur gegen den Schädling selbst, sondern auch andere Insekten treffen, räumt er ein. Wichtig sei daher ein sorgfältiger und gezielter Einsatz. „Aber wenn man nichts mehr hat, dann hat man auf einmal einen Totalausfall, und damit ist keinem geholfen“, unterstreicht der Experte und erinnert an die Kraut- und Knollenfäule, die in Irland zwischen 1845 und 1849 für verheerende Ernteausfälle sorgte. Durch die dadurch ausgelöste Hungersnot starben eine Million Menschen, weitere zwei Millionen wanderten aus. „Pflanzenschutz betreibt man nicht aus Jux und Tollerei. Wenn Pflanzen erkranken, will man sie auch behandeln und schützen“, merkt der Pflanzenbauexperte an.

Was Meusburger bei der Diskussion um Pflanzenschutzmittel ebenfalls stört: „Jeder will, dass keine schädlichen Mittel eingesetzt werden, aber die Medikamente, die wir massenhaft zu uns nehmen, sind auch nicht alles Vitaminbollen.“ Außerdem müssten, um Ernteausfälle zu kompensieren, Produkte aus anderen Ländern importiert werden. „Was dort alles gespritzt wird, darauf haben wir keinen Einfluss. Bei uns muss, soweit das Auge reicht, alles eitel Wonne sein, was dahinter passiert, ist Wurst“, ärgert er sich. Was vielfach ebenfalls nicht bedacht werde, seien die natürlichen Gifte, die die Pflanzen produzieren, wenn sie nicht geschützt werden. „Das sind auch keine Waserl.“ Abhilfe könnten resistente Sorten schaffen, „aber die züchtet man nicht von heute auf morgen“. Gleichzeitig sollten die Früchte und das Gemüse auch schmecken. „Wir haben zum Teil resistente Sorten, die zwar resistent sind, aber nicht schmecken, und das ist echt blöd“, führt Christian Meusburger aus.

Das Insekt hat sich von Baden-Württemberg über Rheinland-Pfalz, Bayern und Hessen in Deutschland ausgebreitet. Inzwischen sind auch Niedersachsen, Sachsen und Sachsen-Anhalt betroffen. Nach Angaben der Union der Deutschen Kartoffelwirtschaft (UNIKA) befindet sich mittlerweile allein knapp ein Viertel der gesamten Kartoffelanbaufläche in Gebieten, in denen die Schilf-Glasflügelzikade vorkommt und Kartoffeln infizieren kann. Die Schäden gehen in die Millionen. Dass die Schilf-Glasflügelzikade in Vorarlberg noch nicht aufgetaucht ist, kann laut Meusburger klimatische Gründe haben. „Wir haben ein anderes Klima als im Osten oder in den großen Anbaugebieten in Deutschland, wo es viel trockener ist. Aber mit der Klimaerwärmung, die wir in der Landwirtschaft natürlich auch merken, kann es durchaus vorkommen, dass sich die Schädlinge weiter ausbreiten.“