Was Kindern und Jugendlichen zusetzt

Zahl der Schüler, die der psychologische Dienst der Bildungsdirektion betreut, verdoppelte sich.
SCHWARZACH. Seit 2019 habe sich die Zahl der Schüler, die vom schulpsychologischen Dienst der Vorarlberger Bildungsdirektion betreut werde, verdoppelt, berichtet Judith Postler, die stellvertretende Abteilungsleiterin. Um wie viele es sich handelt, darf sie nicht sagen, aber einen Anhaltspunkt liefern: Es gebe noch immer mehr Nachfrage als man personell stemmen könne. Das heißt was: Der schulpsychologische Dienst hat derzeit zwölf Vollzeitstellen.
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Seit dem Amoklauf in Graz ist es zu einem größeren Thema geworden, wie es Kindern und Jugendlichen geht. Die Regierung hat angekündigt, Betreuungsangebote auszuweiten. Neu ist das Problem jedoch nicht: Bei einer Erhebung, die regelmäßig österreichweit durchgeführt wird, zeigt sich seit Jahren, dass mehr und mehr Schüler unter Nervosität, Niedergeschlagenheit und Gereiztheit leiden.
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Bei der Bundesheer-Musterung sind zuletzt mit über 11.000 jungen Männern so viele wie noch nie in einem Geburtsjahrgang wegen psychologischer und Verhaltensstörungen für untauglich befunden worden. Für Vorarlberg übermittelt das Verteidigungsministerium eine Angabe dazu: 2021 waren 24 Prozent der Untauglichen aus dem Land aus psychologischen Gründen untauglich, 2022 sogar 34; 2023 wieder 24 und im vergangenen Jahr 16 Prozent. Im Schnitt als gut ein Viertel.
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Was sind die Probleme? Bei den Schülern geht es laut Judith Postler „um Ängste, Leistungsdruck, Überforderung, Themen wie Gewalt und Mobbing sowie zunehmende Fälle von Schulabsentismus“. Das bedeute, dass Schüler nicht mehr in die Schule kommen könnten oder wollten. Eine Rolle würden immer wieder soziale Medien spielen, die verstärkend wirken, sowie die vielen Krisen, so der Psychologin: „Auch unter Kindern und Jugendlichen gibt es Verunsicherung und Zukunftsängste.“
Nicht alles ist jedoch neu: Mobbing habe es immer gegeben, betont Postler: „Zwar hat sich die Art und Weise geändert, kommen auch soziale Medien ins Spiel, aber Lehrkräfte und Eltern sind heute eher sensibilisiert dafür, sodass man es früher erkennt.“ Ein anderes Phänomen ist der Leistungsdruck, der nicht nur von der Schule, sondern auch von Eltern ausgehe. Oder der damit zusammenhänge, dass sich Schüler schwertun, Defizite wettzumachen, die auf die Coronazeit zurückzuführen sind.

Auch Gudrun Quenzel, Soziologin an der Pädagogischen Hochschule Vorarlberg, befasst sich mit dem Thema. Sie ortet ein Phänomen, das nicht nur negativ klingt: „Die Welt ist bunt“, sagt sie, „aber auch herausfordernd. Ob Bildungswege, Berufe oder Freizeitmöglichkeiten, wir haben eine Auswahl wie nie zuvor. Damit verbunden ist ein Anspruch von jungen Leuten, etwas Optimales aus dem Leben zu machen. Man steht permanent vor 1000 Türen und kann nur eine wählen. Das erhöht den Entscheidungsdruck, damit muss man umgehen können.“
Wichtig wäre es laut Quenzel, dafür notwendige Kompetenzen zu stärken: „Meine These lautet, dass man an Schulen noch mehr machen muss. Neben klassischen Fächern wie Deutsch und Mathematik müssen die Selbstkompetenz, aber auch die Beziehungs- und die Medienkompetenz gestärkt werden. Wobei klar ist, dass es dafür mehr Personal braucht, das können Lehrerinnen und Lehrer nicht zusätzlich übernehmen.“

„Bildung, Bildung, Bildung und Bildung, Bildung, Bildung“, antwortet Georg Weinländer, Abteilungsreiter für Psychosomatische Medizin am LKH Hohenems, auf die Frage, was angesagt wäre. Bildung helfe, mit vielem besser zurechtzukommen, sei aber nicht das einzige: Wichtig seien auch starke Bindungen, für Kinder insbesondere zu den Eltern. Darauf sei gerade dann zu achten, wenn beide berufstätig sind: „Das ist ein wesentlicher Resilienzfaktor.“