Wahnsinns-Uraufführung mit George III.

Vorarlberg / 21.07.2025 • 14:25 Uhr
Songs for a (Mad) King
“Songs for a (Mad) King” riss das begeisterte Publikum zu Standing Ovations hin. anja köhler

„Songs for a (Mad) King“ fesseln bei den Festspielen

Bregenz Leidende Könige haben es den Festspielen heuer angetan. Konnte man in der Hausoper das tragische Schicksal des mythischen Königs Ödipus verfolgen, so hatte am Samstag im Seestudio ein historischer Herrscher seinen großen Auftritt: George III., von 1760 bis 1820 englischer König und in den letzten Jahren seines Lebens dem Wahnsinn verfallen.

Songs for a (Mad) King
Songs for a (Mad) King. anja köhler

Peter Maxwell Davies hat ihm bereits 1969 seine „Eight Songs for a Mad King“ gewidmet, ein Kultstück der Avantgarde, das wegen seiner Kürze (ca. 30 Minuten) bei den Aufführungen mit einem zweiten Werk kombiniert wird. Der Bariton Thomas Florio, der das Stück seit 2017 regelmäßig singt und von den Festspielen engagiert wurde, schlug auf die Frage nach einer Ergänzung eine Neukomposition mit dem finnischen Komponisten Osmo Tapio Räihälä (*1964) vor, den Text steuerte er selbst bei: „Farmer George“ zeigt den König vor seiner Erkrankung und nimmt auch seine Liebe zur Landwirtschaft ins Visier. Beide Teile kamen nun unter dem Titel „Songs for a (Mad) King. König Georges Weg vom Feld in den Wahnsinn“ zur Uraufführung.

Songs for a (Mad) King
Songs for a (Mad) King. anja köhler

Eine Konkurrenz mit der radikalen atonalen Tonsprache von Maxwell Davies kam für Räihälä nicht in Frage. Das Libretto thematisiert Georges Liebe zu seiner Frau Charlotte, den Verlust seiner jüngsten Tochter und seines Freundes, des Earls of Bute, und seine Furcht, wahnsinnig zu werden. Der Grundton dieses Teils ist elegisch, als Rückblick auf Verlorenes gestaltet. Eine ruhige Gesangslinie mit dunklen Instrumentaltönen schafft zu Beginn bei Georges Traum von einer Schafherde eine pastorale Atmosphäre, Händels „Messias“ klingt kurz an. Räihäla steigert den Ausdruck mit extremen Instrumentaleffekten und wuchtigen Schlägen, wenn es um den Verlust der Tochter geht, lässt den Bariton auch im Falsett singen, findet insgesamt eine farbige, expressive Klangsprache.
Umso krasser wirkt dann der unmittelbare Übergang zu Maxwell Davies, dessen Komposition mit einer extremen Kakophonie im Orchester beginnt. Musikalisch ist die Gestaltung des Wahnsinns auf jeden Fall konziser und spannender. Die Lieder des nun verrückten Königs sind auch sprachlich extremer gestaltet, mit einem Stimmumfang über fünf Oktaven.

Songs for a (Mad) King
Songs for a (Mad) King. anja köhler

Überragend waren die Interpretinnen und Interpreten, allen voran Thomas Florio, der dieses Beispiel von Menschsein im Abgrund phänomenal gestaltete, nicht nur stimmlich, sondern auch in Gestik und Bewegungen. Man folgte diesem zuerst den Wahnsinn nur fürchtenden, dann wahnsinnigen König mit Faszination und Empathie, nie geriet er zur Karikatur. Das ebenfalls extrem geforderte Instrumentalensemble vereinigte die besten Kräfte aus der Stella Vorarlberg Privathochschule für Musik: die Geigendozentin Sophie Heinrich, legendäre erste Konzertmeisterin bei den Wiener Symphonikern, die auch die musikalische Leitung innehatte, den Celloprofessor Matthias Johansen, die Dozenten Francesco Negrini an der (Bass)Klarinette und Yunus Kaya an Flügel und Cembalo und den Professor für Schlagwerk Maximilian Näscher, dazu als Gast die Musikwissenschaftlerin und (Piccolo)Flötistin Ulrike Anton aus Wien. Was sie alle an Ausdruck und Virtuosität auf ihren Instrumenten, bei denen extreme Spieltechniken gefordert waren, und an präzisem Zusammenspiel untereinander und mit dem Solisten leisteten, das hatte höchstes Niveau. Die stehenden Ovationen, die das Publikum oft etwas voreilig spendet, waren diesmal mehr als verdient.

Songs for a (Mad) King
Songs for a (Mad) King. anja köhler

Das nächste Kammerkonzert findet unter dem Motto “Wiener Symphoniker ganz persönlich” am 26. Juli um 19 Uhr im Seestudio des Festspielhauses statt. In dem Porträtkonzert präsentieren die acht Hornisten der Wiener Symphoniker unter dem Titel “Waidmannsheil” ein Potpourri aus Klassikern und weniger bekannten Werken.