Hüttenwirte wehren sich gegen rücksichtslose Gäste: “Sie meinen, sie könnten tun und lassen, was sie wollen”

Vorarlberg / 28.07.2025 • 16:17 Uhr
Hüttenwirte wehren sich gegen rücksichtslose Gäste: "Sie meinen, sie könnten tun und lassen, was sie wollen"
Ein Hüttenknigge mit zehn Regeln wurde soeben veröffentlicht. Die Pächter der Tilisunahütte und der Totalphütte haben immer wieder Ärger mit Gästen.

Der Alpenverein hat einen Knigge veröffentlicht. Auch Vorarlberger Hüttenwirte beobachten eine zunehmende Rücksichtslosigkeit.

Tschagguns, Wien Markus Jankowitsch von der Tilisunahütte kann ein Lied davon singen. „Es gibt Gäste, die meinen mittlerweile, sie könnten tun und lassen, was sie wollen. Ganz schlimm ist es mit dem Reservieren“, erzählt er. Die Tilisunahütte in Tschagguns ist eine von acht Alpenvereinshütten in Vorarlberg. So wie Markus Jankowitsch geht es vielen Hüttenwirten in Österreich. Auch die Pächter der Totalphütte haben mit der zunehmenden Rücksichtslosigkeit zu kämpfen.

Tilisunahütte
Auf der Tilisunahütte sind neun Mitarbeiter beschäftigt.

Der Alpenverein (ÖAV) hat soeben gemeinsam mit den Partnerorganisationen aus Deutschland und Südtirol einen aktualisierten Hüttenknigge mit zehn Regeln für ein respektvolles und verantwortungsvolles Verhalten am Berg veröffentlicht. „Vor 15 oder 20 Jahren sind die Leute auf den Berg gegangen, weil sie es wollten. Jetzt ist es ein Trend und sie wissen nicht, was eine Schutzhütte bedeutet“, erläutert Markus Jankowitsch.

Die Tilisunahütte liegt auf 2211 Metern Seehöhe. Markus Jankowitsch und seine Frau Sabine betreiben die Hütte seit 2018, davor waren sie auf der Freiburger Hütte und der Konstanzer Hütte. 99,5 Prozent der Gäste seien toll, sagt er. „Wegen denen machen wir es, aber die restlichen 0,5 Prozent ziehen dir mitunter den letzten Nerv. Die meinen, wenn sie da sind, dann tanzen wir nach ihrer Pfeife, und wenn sie etwas nicht bekommen, dann drohen sie dir mit einer schlechten Google-Bewertung.“ Seit Corona habe sich diese „ich-will-ich-will-ich-will“-Mentalität verschärft. Auch das Anspruchsdenken sei deutlich gestiegen. „Die Leute verwechseln die Hütte oft mit einem Hotel im Tal. Ich muss immer wieder lachen, wenn sie kommen und fragen, warum keine WCs und Handtücher am Zimmer sind“, berichtet der Tilisunahütten-Chef.  

Markus und Sabine Jankowitsch
Markus und Sabine Jankowitsch bertreiben die Tilisunahütte seit 2018.

Schätzungsweise ein- bis zweimal die Woche muss sich der Bludescher mit unangenehmen Gästen herumschlagen. Mit Gästen, die nicht einsehen wollen, dass Wasser gespart werden muss, die nicht mit anderen Leuten in einem Zimmer schlafen wollen, die einen Tisch für sich allein beanspruchen oder die kein Verständnis für die Hüttenruhe um 22 Uhr haben. Das Hauptproblem sind für Markus Jankowitsch allerdings die Reservierungen. „Das ist eklatant. Leute reservieren oft viermal in der Saison und gehen dann nach dem Wetter oder sie reservieren an einem Tag auf zwei oder drei Hütten und meinen, wenn sie hereinkommen und sagen, dass sie weitergehen, ist es damit abgetan. Ich verlange eine Stornogebühr. Dann geht das Theater zum Teil los.“

Hüttenwirte wehren sich gegen rücksichtslose Gäste: "Sie meinen, sie könnten tun und lassen, was sie wollen"
Hüttenwirte wehren sich gegen rücksichtslose Gäste: "Sie meinen, sie könnten tun und lassen, was sie wollen"
Hüttenwirte wehren sich gegen rücksichtslose Gäste: "Sie meinen, sie könnten tun und lassen, was sie wollen"
Hüttenwirte wehren sich gegen rücksichtslose Gäste: "Sie meinen, sie könnten tun und lassen, was sie wollen"
Hüttenwirte wehren sich gegen rücksichtslose Gäste: "Sie meinen, sie könnten tun und lassen, was sie wollen"
Von Müll bis Strom.

Das Reservierungsproblem beobachtet man auf der Totalphütte (2385 m) nicht.„Aber die Leute sind schon ein bisschen dreister und rücksichtsloser geworden. Wenn ich zum Beispiel am Frühstücksbuffet sehe, dass eine Person acht Scheiben Brot aufladet, dann weiß ich ganz genau, dass auch noch eine Jause inkludiert ist“, nennt Angelina Beck ein Beispiel. Auch die Müllthematik sorgt auf der Hütte oberhalb des Lünersees immer wieder für Ärger. „Leute spülen Windeln das Klo hinunter – was sie zu Hause auch nicht tun würden – oder sie verstecken sie im Zimmer oder lassen sie unter den Kopfkissen liegen. Das war früher irgendwie normaler“, unterstreicht die Hüttenwirtin.   

Die neue Totalphütte
Die Totalphütte liegt auf 2385 Metern Seehöhe.

Der Alpenverein will mit dem Knigge die Gäste auf die besonderen Bedingungen und Herausforderungen von Berghütten aufmerksam machen. Im Fokus stehen unter anderem die Tourenplanung, der bewusste Umgang mit Wasser und Strom, das Verhalten im Trockenraum, die Wichtigkeit des Hüttenbuches, die Reservierungen oder der Müll. Markus Jankowitsch findet die Initiative gut. „Aber man muss halt dranbleiben und wirklich Informationsarbeit leisten, denn wenn ein Gast mit der falschen Erwartung kommt, dann haben wir am Berg schon verloren. Der Gast muss das im Vorfeld wissen. Vielleicht bringt es etwas, was zu hoffen wäre. Aber die Mehrfachbuchungen werden wir trotzdem nicht abwehren. Das funktioniert nur, wenn wir ein Anzahlungstool hätten“, hält er fest.  

Auf der Totalphütte ist Teamarbeit sehr wichtig. BI (3), Beck
“Leute spülen Windeln das Klo hinunter”, berichtet Angelina Beck (2. v. l.).