Enteignungsverhandlungen beim Feldkircher Stadttunnel starten – auch Zeitplan des Tunnel-Baustarts wackelt

Kommende Woche starten die Verhandlungen über Enteignungen im Zuge des Stadttunnelprojekts – konkret geht es dabei um Dienstbarkeitsrechte. Unterdessen verzögert sich der geplante Vortrieb des Haupttunnels in der Felsenau voraussichtlich, weil der von der UVP-Behörde verhängte Baustopp weiterhin in Kraft ist.
Darum geht’s:
- Stadttunnel Feldkirch: Enteignungsverhandlungen beginnen nächste Woche.
- Keine vollständige Enteignung; eingeschränktes Nutzungsrecht vorgesehen.
- Baustart im Herbst 2025 ist ungewiss.
Feldkirch Am Montag und Dienstag kommender Woche beginnen in der Bezirkshauptmannschaft Feldkirch die mündlichen Verhandlungen zu den vom Land Vorarlberg beantragten Enteignungsverfahren im Zusammenhang mit dem Stadttunnel Feldkirch. Enteignung in dem Sinne, dass dem Land das Recht eingeräumt wird, unter den betroffenen Grundstücken den Tunnel zu bauen. „Es handelt sich nicht um eine vollständige Enteignung mit Eigentumsverlust“, heißt es auf VN-Anfrage von Seiten der Straßenbauabteilung. Vielmehr gehe es um die Zwangseinräumung eines beschränkten Nutzungsrechts, das dauerhaft ins Grundbuch eingetragen wird. Die Grundstücke selbst bleiben im Besitz der Eigentümer.

Zwangseinräumung von Dienstbarkeiten
Konkret geht es um die zwangsweise Einräumung von Dienstbarkeiten für den Bau des Tunnelasts Tosters, da zwischen Land und mehreren Grundeigentümern keine Einigung über die Entschädigung erzielt werden konnte. Laut Kundmachungen des Landes sind insgesamt fünf Verfahren anhängig. Die Gründe, warum sich die Eigentümer auf das Verfahren eingelassen haben, seien laut Straßenbauabteilung ganz unterschiedlich.

Die betroffenen Grundstücke befinden sich im Stadtteil Tisis, teils in dicht bebauten Wohn- und Mischgebieten. Betroffen sind Flächen zwischen 45 und über 750 Quadratmetern, die dauerhaft für Tunneldienstbarkeiten und sogenannte Stützmitteldienstbarkeiten beansprucht werden sollen. Diese umfassen bautechnische Maßnahmen, die zur Stabilisierung des Tunnelhohlraums nötig sind. Laut Straßenbauabteilung des Landes liege die Tunnelröhre in ausreichender Tiefe unter den betroffenen Gebäuden – deutlich tiefer als etwa im städtischen U-Bahnbau.
Wie läuft ein Enteignungsverfahren ab?
Die rechtliche Grundlage, der Ablauf und die Kriterien für Enteignungen sind im Vorarlberger Landesrecht geregelt. Verfassungsjurist Peter Bußjäger erklärt auf VN-Anfrage: „Zentrale verfassungsrechtliche Voraussetzung ist das Vorliegen eines öffentlichen Interesses, das so groß ist, dass es den Eingriff in das Privateigentum überwiegt.“ Die Enteignung müsse außerdem ultima ratio sein – also nur dann erfolgen, wenn keine andere gleichwertige Alternative besteht und eine Entschädigung zu einem angemessenen Preis vorgeschlagen wurde.
Ausgang offen – Land ist “zuversichtlich”
Laut Bußjäger hängt der genaue Ablauf eines Enteignungsverfahrens vom jeweils anwendbaren Gesetz ab. In den vorliegenden Fällen komme etwa das Vorarlberger Straßengesetz zur Anwendung, in einem Einzelfall das Starkstromwegegesetz. Grundsätzlich werde zunächst in einer Verhandlung das öffentliche Interesse dokumentiert, was im aktuellen Fall durch das UVP-Verfahren bereits geschehen sei. Die angebotene Entschädigung basiere auf einem amtlich beauftragten Bewertungsgutachten durch Sachverständige. Ziel sei ein Übereinkommen zwischen Antragsteller und Grundstückseigentümern. Falls dieses ausbleibe, wird im Bescheid der Behörde über die Enteignung und die Höhe der Entschädigung entschieden. „Der Enteignete hat das Recht auf eine angemessene Entschädigung“, betont Bußjäger. Die Entscheidung der Landesregierung könne dann von den Grundeigentümern beim Landesverwaltungsgericht angefochten werden.
Ablauf eines Enteignungsverfahrens
- Öffentliches Interesse: Voraussetzung ist ein überwiegendes öffentliches Interesse am Projekt (z. B. Straßenbau, Starkstromtrasse). Dieses Interesse muss dokumentiert und rechtlich festgestellt sein (z. B. durch ein UVP-Verfahren).
- Ultima Ratio: Enteignung nur, wenn keine gleichwertige Alternative besteht und eine angemessene Entschädigung angeboten wurde.
- Verhandlung: Behörde versucht, eine Einigung zwischen Eigentümer und Antragsteller zu erzielen.
- Sachverständige: Ermitteln die Höhe der Entschädigung bei Uneinigkeit.
- Bescheid: Trifft keine Einigung ein, entscheidet die Landesregierung per Bescheid über Enteignung und Entschädigung..
- Recht auf Anfechtung: Eigentümer können beim Landesverwaltungsgericht Beschwerde einlegen.
Ob es bei den nun anstehenden Verhandlungen kommende Woche zu Einigungen kommt, ist offen. Die Straßenbauabteilung zeigt sich aber verhalten optimistisch: „Wir sind zuversichtlich, dass im Laufe der Verhandlungen noch zu einer Einigung kommen kann.“
Baustart verzögert sich voraussichtlich
Unterdessen stehen im Bereich des zukünftigen Tunnelportals in der Felsenau seit Juni die Baumaschinen still. Grund dafür ist der momentane Teilbaustopp, der die Baustelleneinrichtung betrifft, etwa bei der Positionierung von Containern. Ob der Tunnelvortrieb wie geplant im Herbst 2025 starten kann, ist laut Straßenbauabteilung derzeit unklar. Auch wie lange der Baustopp noch andauert, ist nicht absehbar.
Enteignungsverfahren in der Vergangenheit
Radweg Dornbirn–Lustenau (2022)
Für den Lückenschluss eines Radwegs beim Autobahnanschluss Dornbirn-Süd wurde ein Teil eines landwirtschaftlichen Grundstücks enteignet. Der Eigentümer bestritt, den Bescheid erhalten zu haben – das Landesverwaltungsgericht bestätigte jedoch die Zustellung. Die Enteignung wurde rechtskräftig, der Eigentümer erhielt eine Entschädigung.
Klaus – Enteignung gestoppt (2019)
Ein geplantes Enteignungsverfahren gegen sechs Grundeigentümer in Klaus scheiterte an formalen Mängeln: Der Antrag des Bürgermeisters war nicht rechtskonform eingebracht worden und wurde von der Gemeindevertretung zurückgezogen. Das Vorhaben war Teil eines jahrzehntelangen Konflikts um ein Naherholungsgebiet am Tschütsch. Die betroffenen Eigentümer zeigten sich erleichtert.
Bau der L52 bei Brederis (1993)
Beim Bau der L52 bei Brederis kam es in den 1990er-Jahren zu massiven Protesten gegen die Enteignung landwirtschaftlicher Flächen. Bauern und Aktivisten errichteten ein Blockadecamp, um die Arbeiten zu stoppen – letztlich erfolglos. Die Enteignungen wurden durchgesetzt, das Straßenstück wenige Monate später eröffnet.