Bombenabwürfe in Feldkirch am 1. Oktober 1943: Wie Marilena Tumler mit Jugendlichen Geschichte lebendig macht

i.appear-Gründerin Marilena Tumler (31) macht mit drei Klassen der Mittelschule Oberau im Rahmen eines Schulprojekts die Bombenabwürfe vom 1. Oktober 1943 in Feldkirch digital erlebbar.
Darum geht’s:
- 210 Todesopfer bei Bombenangriff in Feldkirch am 1. Oktober 1943.
- Projekt verbindet Geschichte und moderne Medienformate.
- App i.appear bietet kostenlose digitale Stadtrundgänge.
Feldkirch Der 1. Oktober 1943 markiert einen dunklen Tag in der Geschichte Feldkirchs: Beim schwersten Bombenangriff auf Vorarlberger Boden verloren 210 Menschen ihr Leben, über 100 wurden verletzt. Die Montfortstadt war kein eigentliches Ziel, sondern wurde als sogenanntes Gelegenheitsziel auf dem Rückflug von US-amerikanischen Bombern getroffen.


Über 80 Jahre später haben Jugendliche der Mittelschule Oberau das Ereignis gemeinsam mit Künstlerin Erika Kronabitter und Projektleiterin Marilena Tumler in einem Schulprojekt auf ihrer Plattform i.appear aufgearbeitet. Entstanden ist der digitale Rundgang “Ein Oktobertag”, der über fünf Stationen – von der James-Joyce-Passage bis zum Antoniushaus – durch Feldkirch führt.

Er verbindet persönliche Perspektiven mit historischen Inhalten und macht diese über moderne Medienformate wie Audio, Animation, Interviews und Augmented Reality erlebbar. Der Rundgang ist kostenlos in der App i.appear verfügbar.

Erinnern mit vielen Stimmen
“Ein zentraler Bestandteil waren die Fragen der Kinder, einerseits an ihre eigene Familie, aber auch an Zeitzeuginnen und Zeitzeugen und andererseits an die Geschichte selbst”, sagt Tumler. Viele Fragen flossen in das begleitende Buchprojekt “erleben – erinnern – erkennen”, herausgegeben von der Rheticus Gesellschaft, das am 4. Dezember erscheint. Für das Buch führten Anika Reichwald (ehemals Jüdisches Museum Hohenems) und Stadträtin Natascha Soursos Interviews mit Zeitzeuginnen und Zeitzeugen, deren Antworten den Schülerinnen und Schülern in virtuellen Interviewformaten zugänglich gemacht wurden.


Da viele Kinder Migrationshintergrund haben, wurde das Thema Krieg bewusst breiter gefasst, erklärt die 31-jährige Gründerin von i.appear. “Besonders berührend war es, wie die Kinder die Erzählungen ihrer Eltern aufgenommen und in eigenen Worten weitergegeben haben. Da wurde spürbar, wie sich Erinnerungen über Generationen hinweg fortsetzen.” Entstanden sind anonymisierte Videos der Kinder mit Untertiteln.

Klang, Kunst und kritisches Denken
In der James-Joyce-Passage ist im Zuge des Rundgangs eine Klanginstallation von Arno Oeri zu hören: “Die Kinder haben Sätze begonnen wie ‚Das Leben ist wie…‘ und sie auf ihre eigene, berührende Weise vollendet. Aus diesen Gedanken ist eine eindrucksvolle Klangcollage entstanden”, so Tumler.

Umgesetzt wurde das Projekt im Rahmen von “Kunst ist Klasse” des Bundesministeriums für Kunst und Kultur. Neben Kronabitter und Tumler waren auch Klangkünstler Oeri und Jürgen Thomas Ernst (Naturerleben) beteiligt.
“Die Jugendlichen haben nicht nur Inhalte konsumiert, sondern selbst erschaffen. Ich glaube, das ist es, was sich dann auch langfristig einprägt”, sagt Tumler. Entstanden sind Zeichnungen, Geschichten, Interviewformate, ein klassischer Audioguide und eine animierte Flugbahn der Bomber. Auch NS-Propaganda wurde mit Verweisen auf heutige Mechanismen in den sozialen Medien und Fake News thematisiert.
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Die Plattform i.appear, über die der Rundgang abrufbar ist, wird aktuell überarbeitet. Ab Ende Oktober ist die App auch als Web-App verfügbar und damit barrierefrei auf Smartphone, Tablet und erstmals auch am Desktop nutzbar.

Erinnern als gemeinsame Aufgabe
Für Marilena Tumler ist das digitale Erinnern an solch einschneidende historische Ereignisse ein gesellschaftlicher Auftrag: “Man sagt oft, aus der Geschichte solle man lernen. Das funktioniert leider nicht immer im Großen. Aber im Kleinen kann man viel bewegen, indem man Geschichten erzählt, Fragen stellt, Erinnerungen teilt.”