“Wer arbeitet, kann trotzdem in Armut leben” – Vorarlbergs versteckte Not trifft vor allem Frauen und Kinder

Bis zu 14.000 Menschen in Vorarlberg leben in Armut. Besonders betroffen sind Frauen, Kinder und Alleinerziehende. Zwei Sozialarbeiterinnen berichten, was Armut bedeutet – und warum die Caritas vor einer besorgniserregenden Entwicklung warnt.
Darum geht’s:
- Armut kommt immer mehr in die Mitte der Gesellschaft.
- Caritas-Café bietet Wärme und Sicherheit.
- Politischer Handlungsbedarf zur Bekämpfung von Armut gefordert.
Feldkirch Am Feldkircher Bahnhof liegt das Caritas-Café. Hier gibt es warmes Essen, frische Kleidung und Gespräche für Menschen, die sonst kaum irgendwo Halt finden. Streetworkerin Patricia Wieser kennt viele Besucher seit Jahren. Ihre Geschichten lassen sie nicht los.

“Eine unserer Klientinnen lebt seit drei Jahren auf der Straße”, erzählt Wieser. Die junge Frau sei suchtkrank, psychisch belastet und lebe in einem Bretterverschlag. “Ihre größte Motivation war und ist, ihre Kinder wiederzusehen.” Doch die Sucht ist stärker. Die Mädchen leben inzwischen bei der Großmutter. “Trotz allem kommt sie fast täglich zu uns. Sie findet hier Wärme, ein bisschen Sicherheit und ein paar Stunden Schlaf.” Viele Klienten leiden an psychischen Erkrankungen oder sind suchtkrank, so Wieser. Der Alltag auf der Straße sei hart, aber das Café bietet einen Anker.

Auch Stephanie Marino von der Caritas-Beratungsstelle “Existenz und Wohnen” berichtet bei der Pressekonferenz am Donnerstag von Menschen, die trotz Arbeit mit dem Einkommen nicht auskommen. “Armutsgefährdete Menschen geben oft über 40 Prozent ihres Einkommens für Miete aus. Kommt eine Zahnarztrechnung oder der Schulstart, wissen sie nicht, wie sie es schaffen sollen.” Vor allem alleinerziehende Frauen seien hier betroffen. Die Familienbeihilfe werde oft zur Existenzsicherung genutzt, obwohl sie eigentlich den Kindern zugutekommen sollte. “Selbst die sogenannte Mittelschicht kommt zunehmend zu uns”, so Marino.

Die Geschichten zeigen: Armut ist längst nicht mehr ein Randphänomen. Auch in einem der wirtschaftlich stärksten Bundesländer Österreichs ist sie schleichend mitten in der Gesellschaft angekommen. Caritas-Direktor Walter Schmolly nennt die Entwicklung dramatisch: 12.000 bis 14.000 Menschen in Vorarlberg gelten als manifest arm und müssen mit schwerwiegenden Entbehrungen leben. “Sie können ihre Wohnung nicht heizen, Rechnungen nicht zahlen oder sich zum Beispiel kein zweites Paar Schuhe leisten.”
Kinder und Frauen besonders betroffen
Besonders betroffen: Kinder und alleinerziehende Frauen. Während durchschnittlich 3,7 Prozent der Bevölkerung armutsbetroffen ist, sind es bei Kindern bereits fünf Prozent. Zehn Prozent aller alleinerziehenden Frauen leben in manifester Armut. Die Nachfrage nach Lebensmittelgutscheinen ist im Vergleich zum Vorjahr um 37 Prozent gestiegen. “Wir wissen, dass in den kommenden Wochen und Monaten über 1000 von Armut betroffene Haushalte und Familien bei der Caritas Hilfe suchen werden.” Gleichzeitig werden im Sozialsystem an allen Ecken Einsparungen diskutiert.
Die Caritas appelliert an die Politik und die Bevölkerung. “Was es jetzt braucht, ist die Entschiedenheit seitens der Politik, etwas zu verändern”, sagt Schmolly. Die Caritas könne Menschen nur helfen, wenn sie selbst Unterstützung erfahre – durch Spenden, durch gesellschaftliches Zusammenstehen.
Caritas
Caritas-Spendenkonto – Raiffeisenbank Feldkirch,
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