Größte Ungleichheit im ganzen Bodenseeraum

Grenzüberschreitender Vergleich: Überdurchschnittliche Armutsgefährdung in Vorarlberg.
SCHWARZACH. „Wir weisen immer wieder darauf hin“, sagt Dominic Götz von der Arbeiterkammer: Gemessen an der Gesamtbevölkerung sind in Vorarlberg vergleichsweise viele Menschen armuts- oder ausgrenzungsgefährdet.
Daten, die das europäische Statistikamt „Eurostat“ führt, ermöglichen einen Blick auf westösterreichische Bundesländer sowie Regionen im Bodenseeraum darüber hinaus. Ergebnis: Während hierzulande 2022 bis 2024 durchschnittlich 19,4 Prozent armuts- oder ausgrenzungsgefährdet waren, handelte es sich in Tirol um 15,6 und in Salzburg um 11,5 Prozent. In der benachbarten Großregion Ostschweiz wiederum waren es 16,9 und im süddeutschen Schwaben 15,5 Prozent. Ähnlich, aber nicht ganz so hoch wie in Vorarlberg war die Quote in der entfernteren Region Freiburg (D) im Nordwesten des Bodensees mit 18 Prozent.
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Armuts- oder Ausgrenzungsgefährdung bedeutet sehr vieles. Nicht nur, dass es schwierig ist für Betroffene, finanziell über die Runden zu kommen, sondern auch, dass sie in einem Haushalt leben, in dem das verfügbare Einkommen recht niedrig ist und weniger als 60 Prozent des Medians beträgt. Wobei Unterschiede zwischen Österreich und der Schweiz etwa berücksichtigt werden, damit das Ganze aussagekräftig bleibt. Es wird angenommen, dass sie dann eher nur eingeschränkt am gesellschaftlichen Leben teilhaben können. Hierzulande betrug die Schwelle bei einem Einpersonenhaushalt zuletzt 1661 Euro pro Monat.

Dass in Vorarlberg besondere viele Menschen armuts- oder ausgrenzungsgefährdet sind, hängt laut Götz mit einer großen Einkommensungleichheit zusammen. Stichwort Einkommens- und Pensionsschere zwischen Männern und Frauen mit der Folge, dass Altersarmut bei Frauen sehr groß sei. Aber auch die Tatsache, dass hierzulande relativ viele maximal über einen Pflichtschulabschuss verfügen, spiele eine Rolle: Diese Leute verdienen eher weniger und sind auch eher von Arbeitslosigkeit und damit Armut betroffen als zum Beispiel Lehrabsolventen.
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„Die im Verhältnis mit den anderen Bundesländern hohe Armutsgefährdung resultiert vor allem aus den im Österreich-Vergleich unterdurchschnittlich niedrigen Einkommen der einkommensschwachen Haushalte in Vorarlberg“, bestätigt Caritas-Direktor Walter Schmolly: Gewichtet nach Anzahl der Haushaltsmitglieder betrage das Nettojahreseinkommen beim untersten Zehntel keine 13.498 Euro. Das seien deutlich weniger als bundesweit (unter 16.046 Euro). Auf der anderen Seite sei die Wohnkostenbelastung für die Haushalte groß.

Fabian Rebitzer widmet sich mit der „Forschungsgruppe Empirische Sozialwissenschaften“ an der FH Vorarlberg dem Thema. Er weist auf einen Faktor im Zusammenhang mit den niedrigen Einkommen von Frauen hin: Teilzeit. Wobei das von Frauen mit Kindern nicht nur häufiger als bundesweit mit teuren Betreuungsangeboten begründet werde, sondern auch damit, dass der Wunsch bestehe, die Kinder selber zu betreuen. Hier gehe es um ein traditionelleres Familienmodell.
„Es gibt unzählige Indikatoren, die etwas erklären“, sagt Michael Diettrich, der langjährige Sprecher der Armutskonferenz, und erwähnt auch Migration: „Das sollte man genauer untersuchen.“ Der letzte Armutsbericht des Landes datiert aus dem Jahr 2013.

Auch die Gründe, dass die Armuts- oder Ausgrenzungsgefährdung in anderen Regionen niedriger ist, sind vielschichtig. Für Salzburg berichtet der Sozialexperte Martin Schenk, dass es dort sehr viele Single- und Doppelverdiener-Haushalte ohne Kinder gebe, was die Gefährdungsquote senke. Und für die Ostschweiz weist Patrick Leisibach von der Denkfabrik „Avenir Suisse“ auf eine „robuste Arbeitsmarktintegration“ hin – also eine hohe Erwerbsbeteiligung und eine geringe Arbeitslosigkeit.