Vorarlbergs erstes ‚analoges‘ Lokal – “Mein Café ist handyfreie Zone”

Karten spielen, Kaffee trinken, reden: Im “analog. café&mehr” in Feldkirch-Gisingen stehen Begegnung und Gemeinschaft im Mittelpunkt. Gründerin Ramona Sieberer (28) erklärt, warum dafür manchmal nur eines nötig ist: das Handy wegzulegen.
Darum geht’s:
- Erstes analoges Café in Feldkirch-Gisingen eröffnet.
- Ramona Sieberer befasst sich mit Einsamkeit und Gemeinschaft.
- Viel Wert wird auf persönliche Begegnungen ohne Smartphones gelegt.
Feldkirch Einsamkeit entsteht oft dort, wo Menschen theoretisch alles haben, um verbunden zu sein. Diese Beobachtung hat Ramona Sieberer während ihrer Masterarbeit gemacht. Daraus entstand die Idee für den Ort, an dem Nähe wieder analog werden soll. Anfang November eröffnete sie “analog. café&mehr” in Feldkirch-Gisingen, Vorarlbergs erstes analoges Café.


Dieses ist an diesem Vormittag im Dezember gut besucht. Junge Mütter mit Babys plaudern, Seniorinnen nippen am Kaffee und teilen sich Kuchen, Karten werden gemischt. Was auffällt: Niemand schaut aufs Handy. Stattdessen wird geredet.


Geschaffen hat das Lokal die 28-jährige Ergotherapeutin und Gesundheitswissenschafterin Ramona Sieberer. “Mit dem Konzept will
ich ein Zeichen im Kampf gegen den psychischen Stress, der durch permanente digitale Erreichbarkeit und Einsamkeit entsteht, setzen.”
“Mit dem Konzept will
Ramona Sieberer
ich ein Zeichen im Kampf gegen den psychischen Stress, der durch permanente digitale Erreichbarkeit und Einsamkeit entsteht, setzen.”
Schon in ihrer Ausbildung beschäftigte sie sich intensiv mit dem Thema Einsamkeit. “Viele Menschen wollen Teil der Gesellschaft bleiben, aber klassische Angebote sprechen sie nicht an”, sagt sie. Vor allem ältere Menschen würden sich zum Beispiel oft nicht mit Vereinsangeboten identifizieren. “Deswegen wollte ich etwas sehr Niederschwelliges schaffen, wo jede und jeder kommen kann, ganz ohne Zwang.”




Die Idee zum ersten analogen Café Vorarlbergs speist sich aus mehreren Quellen: aus ihrer wissenschaftlichen Auseinandersetzung mit Einsamkeit, aus ihrer Liebe zu Kaffee und gutem Essen und aus ihrer Überzeugung, dass gemeinsames Tun das seelische Wohlbefinden stärkt. “In der Ergotherapie geht es ums Handeln. Wenn man spielt, bastelt oder einfach gemeinsam Zeit verbringt, tut das der Psyche gut”, sagt Sieberer. Voraussetzung dafür sei allerdings, den digitalen Dauerbegleiter zumindest zeitweise auszublenden. Ein Handyverbot gibt es im Café nicht, wohl aber die Einladung, das Smartphone in der Tasche zu lassen oder in einem sogenannten Handyhotel zu verstauen. “Echte Begegnung kann nur funktionieren, wenn man das Smartphone weglegt. Es gibt sogar Studien, dass die reine Anwesenheit des Smartphones im Raum die Wahrnehmung eines Gesprächs beeinflussen”, weiß die Feldkircherin.

Rund um den Cafébetrieb sind bereits zahlreiche Formate entstanden: Sonntagsauszeiten, Kreativangebote, Yoga, Strickrunden oder zweistündige Offline-Auszeiten. “Dabei geht es ums Tun, ums Abschalten und um Begegnung”, betont Sieberer, die auch offen für weitere Vorschläge von ihren Gästen ist.


Wie gut dieses Konzept funktioniert, zeigt sich auch an Kooperationen. Einmal pro Woche trifft sich hier die Caritas-Laufrunde “Geh mit Herz”, ein Angebot der Pfarrcaritas Feldkirch. Sieben bis zehn Seniorinnen und Senioren spazieren eine Stunde lang gemeinsam durch den Großraum Feldkirch, begleitet unter anderem von Daniela Meusburger. So sollen soziale Kontakte gefördert werden, indem in lockerer Atmosphäre miteinander gesprochen wird. An diesem Vormittag kommen Christine Schläpfer, Waltraud Wess, Helene Arrich und Brigitta Keckeis nach dem gemeinsamen Gehen auf Kaffee, Tee und Kuchen ins “analog. café”.

Gespräche, die draußen begonnen haben, setzen sich drinnen fort. “Das Zusammenspiel aus Bewegung und Begegnung ist zentral. Beim Gehen entstehen Gespräche oft ganz von selbst”, weiß Koordinator Thomas Hebenstreit.

Trotz des gelungenen Starts steht das Projekt vor Herausforderungen. Das Café ist ein Ein-Personen-Unternehmen, Förderungen für das gesundheitsfördernde Konzept blieben bisher aus. “Dabei hat Einsamkeit nachweislich massive Auswirkungen auf die Gesundheit”, sagt Sieberer. Eine Anerkennung als Präventionsprojekt würde vieles erleichtern. Ob solche Räume künftig stärker als solche gesehen werden, wird sich zeigen. An diesem Vormittag jedenfalls wird geredet, gelacht und gemeinsam Zeit verbracht. Ganz ohne Bildschirm.
Analog. Café&mehr
Öffnungszeiten: Mittwoch, 9 bis 12.30 Uhr,
Donnerstag, 16 bis 21.30 Uhr, Freitag 9 bis 15 Uhr
und Samstag 9 bis 15 Uhr.
Adresse: Hauptstraße 52a, Feldkirch-Gisingen
Kontakt: E-Mail: hallo@analogcafe.at, Telefon/
Whatsapp: +43 670/198 79 99