Beethoven hinter Gittern – Peru resozialisiert Häftlinge mit Musik

Welt / 27.07.2019 • 21:00 Uhr
Beethoven hinter Gittern - Peru resozialisiert Häftlinge mit Musik
Die Gefangenen warten während einer Musikstunde auf ihren Einsatz. Im Hintergrund die Gefängniswärter, die sie bei ihrem Ausflug in das Nationaltheater von Lima begleiten. FOTOS: AP

Sie sitzen wegen Mordes, Raubs und Drogenhandels ein, nun halten sie Saxofon und Geige in ihren Händen. Für viele Gefangene in Lima ist die Chance, ein Instrument zu lernen, einmalig.

Lima Mit einer Geige, einem Saxofon oder einer Klarinette in den mit Handschellen gefesselten Händen sitzen zwei Dutzend Gefangene in einem gepanzerten Bus. Sie sollen mit dem Symphonieorchester der peruanischen Hauptstadt Lima im Nationaltheater in Lima musizieren lernen. Der Ausflug ist Teil eines Pionierprojektes, um Kriminelle zu resozialisieren.

Einige sind wegen Mordes verurteilt, andere wegen Raubes oder Drogenhandels. Das Ziel ist es, ein Symphonieorchester im Gefängnis zum zweihundertjährigen Jubiläum Perus 2021 zu schaffen. Bisher läuft es gut: Die Gefangenen haben bereits den Titelsong von “Game of Thrones” erlernt, und Stücke von Beethoven.

Für Martín Reaño ist die Chance, ein Instrument zu spielen, befreiend. Er wurde zu 20 Jahren Haft wegen Mordes verurteilt. Die klassische Musik sei eine “Flucht, etwas anderes als das Gewöhnliche”, sagt der 41-Jährige. Er hat ein Keyboard, drei Posaunen, eine Trompete und eine Bassgitarre in seiner kleinen Gefängniszelle. Die Instrumente wurden von anderen hinterlassen, die ihre Zeit abgesessen und das Gefängnis verlassen haben.

Die Gefangenen, die an der dreistündigen Veranstaltung teilnehmen, sind zunächst nervös, wie Reporter der Nachrichtenagentur AP beobachten. Sie hören ruhig zu, während Wilfredo Tarazona, der Leiter des staatlichen Musikprogramms, die Kollaboration als ein “Event ohne seinesgleichen” bezeichnet, und sagt, dass der peruanische Justizvollzugsdienst, der normalerweise Schlösser, Schlüssel und Ketten kauft, mehr als 150.000 Dollar (135.000 Euro) für Musikinstrumente ausgegeben hat.

Beethoven hinter Gittern - Peru resozialisiert Häftlinge mit Musik

Dann leitet Tarazona zu einer Aufführung der Festlichen Ouvertüre von Dmitri Schostakowitsch über. Beinahe 50 Aufseher behalten die Gefangenen während der Musikstunde im Auge, und bringen sie später zurück nach El Callao, ins Gefängnis an der Küste von Lima. Tage später besuchen Mitglieder des Orchesters die Häftlinge für eine weitere Musikstunde.

Der Justizvollzugsdienst hat die Musikstunden für Häftlinge 2017 begonnen, und ein ähnliches nationales Programm für Jugendliche ausgeweitet. Das Programm läuft in vier der 69 Gefängnisse des Landes.

Gefangene in El Callao haben zuvor Salsa-Bands gegründet. Reaño ist den Musikern beigetreten, als er 2012 in das Gefängnis kam. Dann traf er einen Posaunenspieler, der wegen Raubs einsaß, und andere halfen ihm, Noten lesen zu lernen. Einige Gefangene dort haben nie das Alphabet gelernt, können aber Noten lesen. Jetzt, sagt Reaño, sei er bereit, sein Talent auf ein neues Niveau zu heben.

Einige ehemalige Häftlinge, die wegen ihrer Vergangenheit stigmatisiert werden und Probleme auf dem Arbeitsmarkt haben, verdienen ein bisschen Geld mit dem Spielen in kleinen Orchestern, erzählt Percy Trujillano, ein professioneller Musiker, der in El Callao unterrichtet. Er sagt, “Musik ist eine Gelegenheit, wiedergeboren zu werden, noch einmal zu leben”. AP

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