Ermittlung gegen andere Mitarbeiter

Welt / 30.05.2021 • 22:30 Uhr
Kerzen und Blumen an der Talstation.AP
Kerzen und Blumen an der Talstation.AP

Nach Gondelabsturz am Lago Maggiore mit 14 Toten Besitzer und Direktor der Seilbahnanlage freigelassen.

stresa Stille im Ort Stresa und Fahnen auf Halbmast: Eine Woche nach dem tödlichen Seilbahnunglück am Monte Mottarone westlich des Lago Maggiore in der norditalienischen Region Piemont haben Menschen in einer Schweigeminute am Sonntagmittag der 14 Opfer gedacht. „Eine Woche ist vergangen, seit einem Tag, den wir nie vergessen werden“, schrieb der Präsident der Region Piemont, Alberto Cirio, in den sozialen Medien. Es sei ein Tag der Trauer für die Region. Cirio drückte den Familien sein Mitgefühl aus, die bei diesem „Wahnsinn“ zerstört worden seien.

Die mit 15 Menschen besetzte Gondel stürzte kurz vor der Bergstation in die Tiefe, weil das Zugseil der Gondel aus bislang ungeklärter Ursache riss und ein deaktiviertes Notbremssystem am Tragseil nicht griff. Die Kabine raste talwärts, krachte gegen eine Stütze, sprang aus der Verankerung und zerschellte schließlich an dem steilen, bewaldeten Hang.

Überlebender fragt nach Eltern

Nur ein kleiner Junge überlebte das Unglück. Seine Eltern, sein Bruder und seine Urgroßeltern starben. „Das Kind fragt nach seinen Eltern, seine Tante und seine Großmutter bleiben immer in seiner Nähe“, berichteten die Ärzte. Wegen der Frakturen könne sich das Kind noch nicht selbst ernähren. Vor dem Turiner Krankenhauses „Regina Margherita“ wurde ein Spruchband mit Genesungswünschen für den fünfjährigen Bub israelischer Herkunft ausgerollt.

Wenige Tage nach dem Absturz wurden in einer nächtlichen Aktion drei Männer festgenommen. Es handelte sich um den Besitzer der Seilbahnanlage Ferrovie del Mottarone sowie zwei leitende Mitarbeiter. Der Verdacht der Ermittler: An der Gondel wurde mit Hilfe einer Klammer das Greifen der Notbremse verhindert, weil es vorher immer wieder zu Störungen im Betrieb der Seilbahn gekommen war. Die Klammer darf eigentlich nur zu Wartungszwecken, aber niemals im Normalbetrieb verwendet werden.

Weitere Ermittlungen

Eine Woche nach dem Unglück ziehen die Ermittlungen um die Ursachen der Katastrophe weitere Kreise. Laut der Staatsanwaltschaft könnten auch weitere Mitarbeiter der Seilbahngesellschaft Ferrovie del Mottarone angezeigt werden. „Wir prüfen, inwiefern sie von der Manipulation der Notbremse wussten“, teilte die ermittelnde Staatsanwältin Olimpia Bossi mit.

„Wir wollen wissen, ob die Mitarbeiter aktiv an der Aussetzung des Sicherheitssystems teilgenommen, oder ob sie Befehle von Vorgesetzten befolgt haben“, so die Staatsanwältin. Laut den Ermittlern hatte die Seilbahn bereits seit eineinhalb Monaten technische Probleme, von denen mehrere Mitarbeiter der Gesellschaft informiert waren.

Laut einer Untersuchungsrichterin bestehen keine Schuldbeweise gegen den Besitzer der Seilbahnanlage und gegen den Direktor. Die beiden kamen in der Nacht auf Sonntag wieder frei. Der Einsatzleiter wurde unter Hausarrest gestellt.

„Ich bin froh, zu meiner Familie zurückzukehren, aber ich bin verzweifelt wegen der 14 Todesopfer“, sagte der Betriebsdirektor beim Verlassen des Gefängnisses von Verbania. Er habe über die Aussetzung der Notbremse nichts gewusst. „Ich hätte diesen Beschluss nie genehmigt“, versicherte er.

Der Einsatzleiter gestand seine Verantwortung ein. Er habe nie gedacht, dass es zu einem Kabelriss kommen würde. „Ich bin kein Krimineller. Ich hätte keine Menschen in die Kabine einsteigen lassen, wenn ich gedacht hätte, dass das Seil reißen würde“, sagte der Mann, der seit 38 Jahren für die Seilbahngesellschaft arbeitet.

„Eine Woche ist vergangen, seit einem Tag, den wir nie vergessen werden.“

Die Ermittlungen zum Unglück laufen. AP
Die Ermittlungen zum Unglück laufen. AP
Am Pfingstsonntag ereignete sich das Unglück. Unklar ist weiterhin, warum das Führungsseil riss.  AP
Am Pfingstsonntag ereignete sich das Unglück. Unklar ist weiterhin, warum das Führungsseil riss.  AP