„Es regnet Leichen“

Welt / 30.06.2022 • 22:43 Uhr
In den Tagen nach der Kollision suchten über 1000 Einsatzkräfte nach den Todesopfern.DPA
In den Tagen nach der Kollision suchten über 1000 Einsatzkräfte nach den Todesopfern.DPA

Erinnerung an die Überlinger Flugzeugkollision vor 20 Jahren.

Überlingen Es ist ein lauer Sommerabend am Bodensee, der sich Hans-Peter Walser ins Gedächtnis gebrannt hat. „Ich saß mit meiner Frau und einem befreundeten Paar auf dem Balkon – und dann kam gegen kurz nach halb zwölf nur die Info Flugzeugabsturz, mehr nicht“, sagt der damalige Polizeidirektor in Friedrichshafen. „Abstürze von Kleinflugzeugen haben wir in der Region ja bedauerlicherweise immer wieder gehabt.“ Das Ausmaß des Unglücks in Überlingen am 1. Juli 2002 kann Walser später im Polizeifahrzeug auf dem Weg zum Einsatzort erahnen. „Da habe ich über Funk gehört, wie einer gesagt hat: „Es regnet Leichen vom Himmel.““

Erst im Laufe der Nacht wird die Dimension der Tragödie deutlich. In mehr als elf Kilometern Höhe ist über dem Bodensee ein Passagierflugzeug mit einer Frachtmaschine zusammengestoßen. Alle 71 Insassen sterben, Wrackteile und Leichen fallen in der Region Überlingen auf einer Fläche von mehreren Quadratkilometern vom Himmel. „Als wir die Information zur Kollision definitiv von der Schweizer Flugsicherung Skyguide hatten, war klar, dass das nach menschlichem Ermessen niemand überlebt haben kann“, sagt Walser. Das Unglaubliche in dem Unglück: Die Stadt Überlingen, ihre Ortsteile und der Bodensee als wichtige Trinkwasserquelle bleiben verschont, am Boden gibt es keine Verletzten. Viele Anwohner helfen stattdessen den Suchkräften, versorgen sie zum Beispiel mit Essen und Trinken.

Später stellt sich heraus, dass technische Mängel und menschliche Fehler bei Skyguide das Unglück verursacht haben. Im Zürcher Kontrollzentrum sitzt in diesem Moment ein Fluglotse, der allein für den Luftraum über Süddeutschland zuständig ist und dessen Radar und Telefon wegen Wartungsarbeiten nur eingeschränkt zur Verfügung stehen. Dass ein Unglück droht, bemerkt der Mann zu spät. Der Lotse, der den Fehler machte, wurde 2004 von einem Hinterbliebenen erstochen. Der Russe hatte bei dem Absturz Frau und Kinder verloren.