Tempo ist hier Nebensache

Die Bregenzer Brüder Jochen und Patrick sind der Marke Puch „mit Haut und Helm“ verfallen.
Bregenz. (VN-tm) Jochen Strohhäusl wuchtet die Puch 250 S4 aus den 1930er-Jahren vom Ständer. Vorsichtig schiebt er sie zurück in die Garage. Dabei wirft er den Schneehaufen einen missbilligenden Blick zu, als wollte er sagen: „Fort mit euch! Ich will endlich wieder fahren.“
Oder sollte man sagen tuckern? Oder noch besser rattern? Das reicht alles nicht.Schließt das doch die charakteristische blaue Rauchfahne aus den Auspuffen der österreichischen Zweitakter nur ungenügend ein. Und dann erst der Duft: Diese gediegene Mischung aus verbranntem Öl und Benzin . . . Das kann nur erahnen, wer der Faszination einspuriger Oldtimer vollständig erlegen ist.
Nur der Führerschein fehlte
Dabei half Jochen ursprünglich nur seinem Halbbruder aus der Patsche. Der Bestatter Patrick Nuck hatte auf dem Weg zur Arbeit eine 250er Puch in einem Vorgarten stehen sehen mit dem Schild „Zu verkaufen“ dran. Als er am Abend nochmals vorbei fuhr, war sie schon weg. Nuck grämte sich. Bis er herausfand, dass ausgerechnet sein Steinmetz neuer Besitzer war. Der überließ seinem Geschäftspartner das alte Eisen bereitwillig. Patrick Nuck aber konnte die kleine Puch nicht einmal nach Hause fahren. „Ich hatte ja noch gar keinen Führerschein.“ So kam sein Bruder ins Spiel.
Jochen Strohhäusl pilotierte den Zweitakter rauchend und stinkend von Hard nach Bregenz. Und war hin und weg. Legte sich Wochen später selber eine 250er SG aus Salzburg zu. Zu zweit fuhren sie dann vier Mal aus. Und schoben ihre Paradepferde jedesmal wieder nach Hause. Irgendwas war immer im Eimer. So konnte es nicht weitergehen. Also lasen sich die Brüder erstmal kräftig in dieses Prachtstück österreichischer Zweiradgeschichte ein. „Nächtelang“ taten sie das. Dann erwarben sie eine desolate 125er SV. Zerlegten sie im Winter. Und lernten.
Heute haben die Brüder längst den Club der „Puchfreunde Bregenz“ gegründet. 16 Mitglieder machen sich da jedesmal auf den Weg, vornehmlich ins Allgäu. Jochen erlebt die Ausfahrten wie Zeitreisen. Auf so einer Puch bedeuten 80 km/h noch ein richtiges Abenteuer. Auch der Brückenschlag über Generationen hinweg gelang. So zählt das jüngste Vereinsmitglied 20, das älteste 74 Jahre. Und die „Puchfreunde Bregenz“ werden stetig mehr. Das hat wohl auch mit ihrem Credo zu tun, das da lautet: „Fahren statt Sammeln“. Schließlich, bekräftigen beide, „sind das Fahrzeuge, keine Stehzeuge“.
Saisonauftakt Friedrichshafen
Auch 2013 werden sie vom Treffpunkt bei der Feuerwehr Rieden wieder Richtung Leutkirch, Wangen oder Isny starten. Das Jahr hat überhaupt gut angefangen. Ausnahmsweise dürfen die Oldtimer heuer schon bei Schnee und Eis aus der Garage. Aber keine Angst, diesmal legen sie die Strecke wohl verpackt in einem Autoanhänger zurück.
Die Tage von Freitag bis Sonntag bringen 16 blankpolierte alte Eisen in der Halle B2 der Messe Friedrichshafen auf der „Motorradwelt Bodensee“ zu. Und wieder wird sich x-fach wiederholen, was Jochen bei jedem Tankstopp erlebt: „Immer kommt jemand her, bestaunt die Puch und hat eine eigene Geschichte parat.“ Damals mit der Puch auf Flitterwochen nach Italien gefahren . . . so was erzählen sie dann. Manche kriegen feuchte Augen. Der Zauber, der einer Puch innewohnt, blieb eben über die Jahrzehnte wirksam.
2012 sind wir 2500 Kilometer gefahren. So eine Puch hält ewig.
Jochen Strohhäusl
Zur Person
Jochen Strohhäusl
rief zusammen mit seinem Halbbruder Patrick Nuck die Puchfreunde Bregenz ins Leben.
Geboren: 18. Jänner 1972 in Bregenz
Ausbildung: Lehre als Automechaniker, heute Bestatter
Familie: geschieden, vier Kinder
Der Verein steht mit allen Terminen unter „www.puchfreunde-bregenz.com“ im Internet.