Zwischen zwei Welten

Wetter / 24.07.2013 • 20:17 Uhr
Astrid Gasser pendelt zwischen Europa und Nordafrika. Foto: privat
Astrid Gasser pendelt zwischen Europa und Nordafrika. Foto: privat

Astrid Gasser, zurzeit in Ägypten, erlebt die Nachwirkungen des Umsturzes.

HURGHADA. (VN-hrj) Sie ist groß, blond, attraktiv und kann ihren Mund nicht halten. Nicht gerade ideale Eigenschaften einer Europäerin, die Ägypten zu ihrer zweiten Heimat erkoren hat. Doch Astrid Gasser lässt sich nicht verbiegen. Schon gar nicht für religiöse Fanatiker.

Auswandern wollte sie schon immer. Nachdem sie 18 Jahre bei den Bregenzer Festspielen angestellt war und als Obfrau die „Freie Montessori Schule“ in Altach ehrenamtlich geleitet hatte, realisierte sie 2008 ihren Traum und übersiedelte mit ihrer damals elfjährigen Tochter Christina nach Ägypten. Dort gründete sie das Unternehmen Cleopatra Travel Hurghada, durch das sie in der Lagunenstadt El Gouna Gäste-Villen betreut und Touristen bei speziellen Ausflügen „abseits vom üblichen Programm“ begleitet.

Das Leben in Ägypten änderte sich im Jänner 2011 mit der Revolution gegen Staatschef Mubarak. Im Juni 2012 kam dann der Anführer der islamistischen Muslimbruderschaft Mohammed Mursi durch demokratische Wahlen an die Macht. „Nachdem Mursi am 21. November 2012 ein Dekret erließ, „mit dem er seine Entscheidungen über das Recht stellte und sich selbst unangreifbar durch das Rechtssystem machte, verschärfte sich die Situation“, erinnert Astrid Gasser. „Damit hat er sich zum Diktator erhoben.“ Mursi ließ damals über 3000 Protestanten festnehmen, die schweren Folterungen ausgesetzt waren.

Mursis Entmachtung sei das einzig Richtige gewesen. „Was jetzt hier passiert, ist demokratisch und legal“, sagt Astrid Gasser. „Denn die Muslimbrüder haben sich der Revolution angeschlossen, um Ägypten in einen islamistischen Staat zu transformieren. Und nach zehn Monaten Regentschaft wollte Mursi Teile des Landes verscherbeln.“ Zum Beispiel habe er Halayeb an den Sudan abtreten wollen, Teile von Sinai an die Hamas. Zudem hat er 50 Prozent der Goldreserven Ägyptens aufgebraucht. „Mursi hat seine Macht exzessiv ausgenützt und das Land in den Ruin getrieben.“ Unverständlich ist für Astrid, „dass EU und USA einen radikal islamistisch geführten Staat unter Mursi unterstützen. Natürlich stecken politische und wirtschaftliche Interessen dahinter: Die Friedenssicherung mit Israel, die nur die Muslimbrüder garantieren können, und die Waffengeschäfte zwischen Deutschland und dem Muslimbrüder-Staat Katar.“

Gefährliche Situation

Den Machtwechsel befürwortet Astrid auch deshalb, „weil es mit den Muslimbrüdern an der Macht für mich und viele Europäer unmöglich ge­wesen wäre, weiterhin in Ägypten zu leben“. Zurzeit sei es in Hurghada zwar ruhig und „sonnig wie immer“, doch als dort Lebende stuft Astrid die Situation „als weit gefährlicher ein als bei der Revolution gegen Mubarak. Die Extremisten gehen sehr aggressiv vor. Und neu in Hurghada ist, es wird für und gegen Mursi demonstriert.“ Sie befürchtet, dass die Islamisten für Terroranschläge auch Ziele wie Hurghada aussuchen, um das Land im Chaos versinken zu lassen. „Noch nie war die Situation unberechenbarer als heute.“

Noch ist Hurghada ein wenig wie Ibiza: Sonne und Party. „Und das war für Christina eine große Herausforderung. Damit sie in einem sicheren und ihrer Kultur entsprechenden Land eine weiterführende Schule besuchen kann, kehrte ich mit ihr im September letzten Jahres zurück nach Vorarlberg.“ Ihr Unternehmen lässt Astrid momentan von ihren ägyptischen Partnern betreiben.

Sie selbst hat die betriebswirtschaftliche Leitung der Montessori Schule in Altach übernommen und pendelt seither als „Reisende zwischen zwei Welten“ zwischen Europa und Nordafrika.

Zur Person

Astrid Gasser

Geboren: 10.10.1961 in Wien

Wohnorte: Lauterach, Hurghada

Familie: geschieden, Mutter von zwei Kindern: Richard (31), Christina (16)

Lebensmotto: Nur wer sich verändert, bleibt sich treu.