Hilfe für die Gestürzten

Reinhard Ladenhauf hilft kriminell Gefährdeten und Haftentlassenen zurück ins Leben.
Bregenz. (gs) Beim Verein „Neustart“ in der Bregenzer Römerstraße herrscht ein tägliches Kommen und Gehen. Die Besucher meistens jung oder im besten Alter. Menschen, die auf ihrem Lebensweg gestolpert sind. Von der Jugendwohlfahrt hierher geschickt werden, von den Drogenstationen – oder direkt vom Gefängnis. Menschen im Spiegel ihres Schicksals.
Reinhard Ladenhauf kennt das kriminelle Milieu Vorarlbergs. Er ist seit 24 Jahren diplomierter Sozialarbeiter, besuchte zu Beginn die Sozialakademie und betreut mit 17 Kolleginnen und Kollegen jene Menschen, die Bewährungshilfe brauchen: zurzeit um die 330 Klienten in Vorarlberg, etwa die Hälfte davon Jugendliche. „Unter ihnen 50 Haftentlassen, und zehn, die eine Fußfessel tragen“, resümiert Ladenhauf.
Verantwortung erkennen
Doch was ist der „klassische Klient“, der einen neuen Start braucht, einen Bewährungshelfer? „Er hat entweder ein Suchtgiftproblem oder ein zu hohes Aggressionspotenzial“, sagt Ladenhauf, „in den meisten Fällen verfügt er über wenig Bildung, kaum berufliche Qualifikationen, ist permanent pleite und kann mit Konflikten nicht umgehen.“
Und genau hier setzt „Neustart“ an. Man konzentriere sich auf die Defizite, seien sie persönlicher oder materieller Natur. „Wir nehmen die Klienten unter die Lupe, versuchen zu verstehen, was ihnen fehlt, und ihnen ihrerseits begreiflich zu machen, wie sie sich anders verhalten können und müssen – wie sie ihre Verantwortung erkennen lernen“, so der Experte. Wer völlig den Boden unter den Füßen verloren hat, dem würde auch materiell geholfen. Zumindest in der ersten Phase. Das heißt materielle Absicherung und Hilfe bei der Suche nach einer Unterkunft.
80 Prozent Erfolgsquote
Das Konzept scheint aufzugehen. Gerade bei Jugendlichen. „Achtzig Prozent werden nicht mehr rückfällig“, stellt Ladenhauf fest. Die Zusammenarbeit mit Exekutive und Justiz funktioniere gut. „Empfehlungen, die wir den Richtern abgeben, etwa bezüglich Zuweisungen von Gewalttätern in Antiaggressionstrainingskurse oder von Drogendeliquenten in entsprechende Hilfseinrichtungen. Der erste Kiffer wird in Vorarlberg nie verurteilt“, erzählt der Bewährungshelfer, der aber auch nicht mit einer gewissen Kritik an der Justiz zurückhalten will: „Ich halte die Strafjustiz für reformbedürftig. Wer nur einen Kaugummi geklaut hat, verurteilt wurde und nicht ordentlich in der Gesellschaft eingegliedert ist, also etwa kein Einkommen hat, gilt automatisch als gewerbsmäßiger Krimineller.“
Gleichzeitig will er mit einem landläufigen Vorurteil aufräumen: „Die Jugendkriminalität steigt nicht. Sie ging seit 2012 um zehn Prozent zurück.“ Doch nicht nur jugendliche Straffällige sind es, die den Verein beschäftigen. „Wir sind uns sicher, dass dereinst auch die Testamentsfälscher an unserer Türe klingeln werden.“
Ich halte die Strafjustiz für reformbedürftig.
reinhard ladenhauf
Zur Person
Reinhard Ladenhauf
ist diplomierter Sozialarbeiter beim Verein „Neustart“.
Geboren: 17. Oktober 1957
Ausbildung: Sozialakademie
Interessen: Joggen, Lesen, Kommunizieren im Gasthaus