„Wir denken in Atomen“

Wetter / 30.09.2013 • 17:36 Uhr
Der Physiker Herbert Hutter mit dem „Sekundär Ionen Massen Spektrometer“: Er gehört zu den federführenden Forschern in Wien. Foto: ENTNER
Der Physiker Herbert Hutter mit dem „Sekundär Ionen Massen Spektrometer“: Er gehört zu den federführenden Forschern in Wien. Foto: ENTNER

Warum Physik begeistert und die Titanic wirklich sank, erklärte Prof. Hutter den VN.

Wien. (VN-ebi) Als Herbert Hutter als sechsjähriges Kind vor dem ersten Farbfernseher seiner Familie saß, hatte er sich entschieden, Physiker zu werden. Die Irrationalitäten des Lebens interessierten ihn schon damals nur wenig. Mehr Begeisterung fand er in diversen Wissenschaftssendungen für das Rationale und für die logischen Konstrukte, die entweder bewiesen werden können oder nicht. Heute ist er in Österreich federführender Forscher im Bereich der physikalischen Oberflächenanalytik.

Der 51-Jährige stammt aus einer „klassischen Arbeiterfamilie“, wie er erzählt. Sein Ziel, einmal Physiker zu werden, habe er aber nie aus den Augen gelassen. Zuerst maturierte er in der HTL für Maschinenbau in Bregenz. 1983 zog er dann für das Studium nach Wien. Eigentlich wollte er nie an der Uni bleiben, „doch sie ließen mich einfach nicht gehen“, gesteht Hutter gegenüber den VN. Er scheint heute dennoch seine Berufung gefunden zu haben.

„Professor Hörbi“

Eine Wand seines Büros hat Hutter mit Whiskey-Flaschen geschmückt – für jeden seiner erfolgreichen Doktorats-Absolventen eine. Seine Studenten duzen ihn, da er eben – auch in der Rolle des Professors – „einfach nur der Hörbi“ sei. Und wenngleich die Pflanzen, die Erinnerungen an die Dissertanten und die Schallplatten in seinem Büro eine gewisse Bodenständigkeit des Bregenzers repräsentieren, was Hutter in seinem Labor an der TU Wien macht, ist für einen Laien schlicht und einfach kaum verständlich. Für ein nicht geschultes Auge bewegt sich der Anblick der Maschinen zwischen futuristischen Sphären oder schlechthin einem Kabelgewirr. Sein physikalisches Steckenpferd ist das sogenannte „Sekundär Ionen Massen Spektrometer“ (SIMS). Dass es dieses jedoch nur 150 Mal weltweit gibt und es fast eine Million Euro wert ist, lässt so manchen Nicht-Physiker staunen.

Schon seit seiner Diplomarbeit arbeitet Hutter an dem SIMS. Mit seiner Forschung sei er in Österreich derzeit einzigartig. Auch im europäischen Raum gehört der Vorarlberger sozusagen zur SIMS-Elite, wenngleich der Bregenzer das nicht dezidiert so aussprechen würde.

Das SIMS ist ein Mikroskop, womit Forscher Oberflächen bestimmter Materialien aufbrechen und daraufhin die Anzahl und das Gewicht der herausgelösten Atome bestimmen können. Und von diesen Ergebnissen – so fremd sie für einen Laien auch scheinen mögen – profitieren wir in unserem alltäglichen Leben.

Warum die Titanic gesunken ist

So kann Hutter auf der Oberfläche Spurenelemente erkennen, die nur zu einem Milliardsten Prozent vorhanden sind. Schwefel, das zum Beispiel der „schlimmste Feind des Stahls“ ist, kann er mit diesem Verfahren nachweisen. „Das konnten sie damals, als sie die Titanic konstruierten, noch nicht“, erklärt Hutter. Darum sei sie auch gesunken. „Denn die Titanic wurde aus den größtmöglichen Stahlplatten gebaut, die relativ viel Schwefelgehalt hatten. Deshalb wurde der Stahl spröde und riss schneller auf.“ Wie Schwefel im Stahl unschädlich gemacht wird, hängt von der atomaren Zusammensetzung der Oberfläche ab. Und dazu liefert Hutter die Ergebnisse.

„Wie Kinder eben mit ihren Legosteinchen spielen, spielen wir Naturwissenschafter mit Atomen. Wir denken in Atomen. Sie sind für uns schon so alltäglich, dass wir uns oft in Erinnerung rufen müssen, wie klein sie überhaupt sind“, lacht Hutter. Als Naturwissenschafter sehe man die Welt einfach mit anderen Augen.

Wir spielen mit Atomen wie Kinder mit Legosteinchen.

Herbert Hutter

Zur Person

Herbert Hutter

A.o. Uni-Professor am Institut für Chemische Technologien und Analytik

Geboren: 8. August 1962

Ausbildung: HTL für Maschinenbau in Bregenz, Physikstudium, Promotion und Habilitation an der TU Wien

Familie: verheiratet, zwei Söhne