“Achtung für dieses Volk”

Susanne Pfanner macht Front gegen die Diskriminierung der Roma in Österreich.
wien. (VN-hrj) „Jeder meint, er weiß etwas über die Roma. Doch niemand weiß wirklich etwas über sie,“ konstatiert Susanne Pfanner. Viele Leute wüssten nicht einmal, dass man im deutschen Sprachraum die Roma längst nicht mehr Zigeuner nennt. „Das ist ein Nicht-Wort“, stellt die 39-jährige Vorarlbergerin klar, die als Leiterin der Roma-Kontaktstelle im Bundeskanzleramt in Wien andauernd mit Ignoranz und Missverständnissen um diese seit 1995 in Österreich anerkannte Volksgruppe konfrontiert wird.
„Das Problem der Roma ist, dass bei ihnen der Fokus immer auf Armutsmigration gerichtet wird“, erklärt Pfanner. Die Folge sei Diskriminierung, weshalb viele von ihnen ihre Roma-Zugehörigkeit verschweigen würden. Und diskriminiert wird diese Volksgruppe in allen Lebensbereichen. Das beginnt beim Verjagen durch Gewaltandrohung und geht über Hetze via Internet bis zur Verweigerung von Dienstleistungen anhand von Schildern, auf denen „Zigeuner kriegen hier nichts“ steht. Pfanner weiß, „so etwas hört nur auf, wenn man immer wieder darüber redet und aufzeigt, dass Diskriminierung Unrecht ist“.
Der allererste Job
Aufgewachsen ist Susanne Pfanner in Lochau, wo ihre Eltern zu jener Zeit eine Bäckerei betrieben haben. Nach dem Studium der Rechtswissenschaften in Innsbruck absolvierte sie das Gerichtsjahr in Wien. Dann folgten zwei Jahre Praxis am Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte in Straßburg.
Die Atmosphäre dort sei für sie etwas ganz Besonderes gewesen, erinnert sie sich. Zum einen, „weil dies mein allererster Job war“, zum anderen arbeitete sie mit Richtern aus 44 Mitgliedstaaten zusammen. Und das sei höchst spannend gewesen.
In der Roma-Kontaktstelle im Bundeskanzleramt, die eingerichtet wurde, um die Strategie zur Integration der Roma bis zum Jahr 2020 umzusetzen, ist die Vorarlbergerin seit 2003 beschäftigt. Die Leitung wurde ihr im Jänner dieses Jahres übertragen. Allerdings habe sie ihre dortige Tätigkeit einmal unterbrochen: „Von 2009 bis 2011 war ich als nationale Expertin an die Agentur der Europäischen Union für Grundrechte in Wien entsendet worden.“
Das Konzept der Roma-Strategie sei, das Bewusstsein für Roma-spezifische Anliegen in den Köpfen der Entscheidungsträger zu verankern. „Unser wichtigstes Ziel ist es, dass die Roma in Österreich eine Verbesserung ihrer Alltagssituation erkennen.“ Vor allem in den Kernbereichen Beschäftigung, Bildung, Zugang zu gesundheitlicher Dienstleistung und Wohnraum.
Wichtige Dialogplattform
Eine Schlüsselrolle in diesem Prozess nimmt die 2012 ins Leben gerufene Dialogplattform ein. Im Rahmen dieser Plattform führen staatliche Verwaltung, Wissenschafter und Roma-Vertreter intensive Gespräche. Durchschnittlich werden bei den Dialogplattformen zwischen 40 und 50 Teilnehmer gezählt, wobei die Vertreter der Roma-Vereine den größten Teil bilden. „Wesentlich dabei ist die Vernetzung zwischen den handelnden Akteuren“, lässt Pfanner wissen. Ein Beispiel: Ein Vertreter des Bildungsministeriums diskutiert mit einem Roma, der für die Schulorganisation der Roma-Kinder verantwortlich ist. Die letzte Dialogplattform fand im April statt, die nächste ist in Vorbereitung.
Auf die Frage, wie sich denn ihr Berufsalltag im Kanzleramt mit Partner- und Mutterschaft vereinbaren lässt, antwortet Susanne Pfanner: „Alles ist eine Frage der Organisation. Aber einfach ist es nicht.“
Diskriminiert werden die Roma in allen Lebensbereichen.
Susanne Pfanner
Zur Person
Susanne Pfanner
leitet die Nationale Roma-Kontaktstelle im Bundeskanzleramt.
Geboren: 1975 in Bregenz
Wohnort: Wien
Ausbildung: Juristin
Familie: Lebensgemeinschaft, Mutter von Constantin (7) und Nora (2)