Vom Muffel zum Narren

Jürgen Hicker ist Hauptverantwortlicher für den traditionellen Rosenmontag-Nachtumzug in Frastanz.
Rankweil, Frastanz. (VN-mip) Das Faschingswochenende: strapaziertes Trommelfell, die Stimmbänder gefordert, die Leber arbeitet auf Hochtouren, an gesunden Schlaf ist nicht zu denken. Der Körper stößt an seine Grenzen. Wer Fasching lebt, muss belastbar sein. Beispiel: Jürgen Hicker, Präsident des Faschingskomitees Frastanz (FKF), an diesem Wochenende. Am Freitagabend ging es mit dem Tross zu einem Nachtumzug nach Ochsenhausen nahe Memmingen. Samstagfrüh wurde das Komitee bereits in Frastanz empfangen. Anschließend: Kinderumzug, am Abend Ball. Am Sonntag stand der Umzug in Satteins auf dem Programm. „Aber nicht lange, wir müssen am Rosenmontag fit sein“, erklärt Hicker. Denn das ist der große Tag. Bereits in der Früh wird gewerkelt und gearbeitet, damit das Highlight der Frastanzer Faschingszeit reibungslos über die Bühne gehen kann: der Nachtumzug im Schaaner Ried.
Plötzlich im Vorstand
Rückblick: Es ist Mitte der 90er-Jahre. Jürgen Hicker wohnt in Rankweil, arbeitet bei Liebherr im Oberland und hat mit Fasching nichts am Hut. „Ein echter Faschingsmuffel, hat meine Frau zumindest gesagt“, erzählt er und grinst. Irgendwann nahmen ihn seine Arbeitskollegen mit zum traditionellen Rosenmontag-Nachtumzug nach Frastanz. „Dann stand ich gleich hinter dem Grill oder dem Zapfhahn und war einer der über 200 freiwilligen Helfer.“ 1999 folgte der Beitritt zum FKF, was für manche etwas überraschend kam, wie er schildert: „Für meine Frau war das unbegreiflich, als ich nach Hause kam und plötzlich Teil eines Faschingskomitees war.“ Er lacht und erzählt weiter: „Weil ich als Letzter Nein gesagt habe, war ich Schriftführer und sofort Mitglied im Vorstand.“ Die steile Faschingskarriere ging weiter, bis er 2008 zum Präsidenten aufstieg. Mittlerweile als Faschingsnarr: „Ja, die Frastanzer haben mich bekehrt.“ Seitdem ist die fünfte Jahreszeit klar strukturiert: „Wir haben acht bis neun Umzüge pro Jahr und ungefähr drei Bälle.“ Das geht nur, wenn der Arbeitgeber mitspielt, also Urlaub gibt. Jürgen Hicker ist beruflich in Asien und Afrika unterwegs. „Die halbe Welt weiß, dass ich in diesen Tagen nicht verfügbar bin“, sagt er und lacht. Seine Frau Carmen und seine Kinder Philip (19 Jahre) und Nadine (17 Jahre) sind ebenfalls Teil der Schaaner-Ried-Helfer. Beim Komitee ist seine Frau aber nicht. „Wir sind ein reiner Männerhaufen“, stellt Hicker fest, betont aber: „Nach den Statuten dürfen natürlich auch Frauen dabei sein.“ Allerdings benötige es dazu einen einstimmigen Beschluss. „Und zumindest der eigene Mann würde immer dagegen stimmen.“ Jürgen Hicker lacht. Im Fasching ist eben nicht alles so ernst.
Ernst wird es für ihn aber heute am Rosenmontag. Bereits in der Früh beginnen die Aufbauarbeiten für das Spektakel. Um 19.30 Uhr erfolgt der Startschuss für die über 40 Faschingsgruppen. Anschließend wird bis spät in die Nacht abgebaut. Für die Teilnahme am eigenen Umzug bleibt keine Zeit.
Seit Hicker FKF-Präsident ist, hat sich einiges geändert. Nachdem der Umzug Jahr für Jahr exzessiver wurde, verzichteten die Veranstalter auf harten Alkohol und stellten den Barbetrieb ein. „Wir sind kleiner geworden, haben aber an Qualität gewonnen. Es hat sich bewährt, unter den Besuchern sind wieder viel mehr Familien“, ist der 42-Jährige mit der Entscheidung zufrieden. Es ist ruhiger geworden, streng wird es trotzdem: „Wenn man über 40 ist, merkt man den Körper. Aber ich freue mich auf den Umzug.“
Ja, die Frastanzer haben mich zum Fasching bekehrt.
Jürgen Hicker
Zur Person
Jürgen Hicker
Seit 2008 Präsident des Faschingkomitees Frastanz
Geboren: 1. August 1973
Wohnort: Rankweil
Familie: verheiratet mit Carmen, Kinder: Philip (19) und Nadine (17)