Er nimmt sich die Zeit

Wetter / 10.03.2016 • 19:54 Uhr
Das von Berno Odo Polzer geleitete „MaerzMusik“-Festival findet heuer vom 11. bis 20. März statt. Foto: Lucie hansch
Das von Berno Odo Polzer geleitete „MaerzMusik“-Festival findet heuer vom 11. bis 20. März statt. Foto: Lucie hansch

Als Leiter des Festivals „MaerzMusik“ setzt Berno Odo Polzer auf Themen, die in den Köpfen andauern.

Berlin, Bregenz. (VN-cd) Zeit ist in der Musik wie im Leben ein enormer Faktor. Zuerst zum Leben. Seit Berno Odo Polzer Vater ist, also seit einem Jahr, ist der Alltag anders getaktet als zuvor, ist jede Minute noch kostbarer, vor allem jene, die er mit dem kleinen Leander verbringt. Dazu kommt, dass er nicht nur zwischen Brüssel, wo er mit seiner Partnerin, der Künstlerin Sarah Vanhee, und seinem Sohn wohnt, und Berlin, wo er als künstlerischer Leiter des „MaerzMusik“-Festivals arbeitet, pendelt, auch das Erstellen der Doktorarbeit bedingt gewisse Mobilität.

Nachdem der Bregenzer die akademische Laufbahn nämlich noch ganz pragmatisch mit Archäologie, Musikwissenschaft und Philosophie in Wien begann, haben sich seine Forschungsinteressen nun bis in den hohen Norden verlagert. Wer dabei an Naturwissenschaft denkt, der irrt, Berno Odo Polzer beschäftigt sich mit politischen Fragen und hat dazu einen Doktorvater in Finnland gefunden, und zwar nicht etwa in Helsinki, sondern über dem Polarkreis.

Ein Denkzentrum

Dabei geht es auch um das lineare Denken, das als Diskussionpunkt beim „MaerzMusik“-Festival nicht ausgeschlossen ist. Während in den kommenden zehn Tagen mit Marino Formenti etwa jener Klaviervirtuose auftritt, den auch das Publikum der Bregenzer Festspiele kennt, oder das außergewöhnliche Werk „Sleep“ des englischen Komponisten Max Richter zur Uraufführung kommt, und zum Finale mit „The Long Now“ eine Performance stattfindet, die 24 Stunden dauert, versteht sich das Festival auch als Denkzentrum. Damit ist nicht ein Austausch gemeint, sondern ein Diskussionsforum mit Experten, das so gestaltet ist, dass sich auch Menschen mit weniger wissenschaftlichem Erfahrungshintergrund gut einklinken können. „Was mir vorschwebt, das ist, die Theorie und Praxis wirklich zusammenzubringen, also die Räume, in denen die verschiedenen künstlerischen Formate ablaufen und jene, in denen nachgedacht wird.“

Enormer Zulauf

Dass er mit dem Generalthema Zeit ins Schwarze getroffen hat, zeigte sich schon nach seinem Antritt im vorigen Jahr. „MaerzMusik“ erhielt in Berlin, also in einer Stadt, in der das Kulturangebot riesig und vielfältig ist, enormen Zulauf. Einiges klinge abstrakt, aber im Kern gehe es darum, dass man in den letzten Jahren eine enorme Beschleunigung der Abläufe beobachten könne, die einen enormen Einfluss auf unser Leben hat. „Es geht dabei auch um eine Machtverschiebung zwischen der digitalen Steuerung und den Menschen. Algorithmen organisieren die Welt und übernehmen die automatisierten Abläufe, somit stellt sich die Frage, wie sich der Mensch dabei verhält. Das reicht von Google-Algorithmen, die darüber entscheiden, was man von der digitalen Welt überhaupt zu Gesicht bekommt, bis zu Zukunftsvorhersagen, die nicht mehr überprüfbar sind.“

Berno Odo Polzer war übrigens zuvor maßgeblich für das Festival „Wien Modern“ verantwortlich. Die ungemein komplexe Kulturszene in Berlin hat sich für den Sohn der bekannten Vorarlberger Musiker Elgar und Elisabeth Polzer als eine erwiesen, die seinen Interessen entspricht. Was er in der deutschen Hauptstadt zudem als angenehm wahrnimmt, ist die Weltoffenheit.

Die Beschleunigung der Abläufe hat einen großen Einfluss.

Berno Odo Polzer

Zur Person

Berno Odo Polzer

Geboren: 1974 in Bregenz

Tätigkeit: Kurator, Dramaturg, Theoretiker in den Bereichen Musik, Tanz, Performance, Philosophie, Politikwissenschaft

Laufbahn: Leiter des Musikfestivals „Wien Modern“, Projekte und philosophische Forschungen, Leiter des Festivals „MaerzMusik“ in Berlin

Familie: Partnerin Sarah Vanhee und Sohn Leander

Wohnorte: Brüssel und Berlin