Die Dauerwahlkämpferin

Barbara Neßler aus Alberschwende mischt Innsbrucker Politik auf.
Innsbruck Die Jobbeschreibung eines Politikers ist umfassend: Dicke Haut, konfliktfreudig, Lust an der Selbstausbeutung, kompromisslos für eine Sache einstehen; wer es mag, von allen Seiten eine auf den Deckel zu bekommen, gleichzeitig gegen Windmühlen zu argumentieren und im Wahlkampfhamsterrad versucht, Tag für Tag Flyer an den Wähler zu bringen, der ist in der Politik richtig. Barbara Neßler muss es mögen, ansonsten hätte sie das vergangene Jahr psychisch wohl nicht überstanden. Seit der ÖH-Wahl im Mai 2017 hat sie vier Wahlkämpfe geschlagen, der fünfte – und vorerst letzte – folgt am Sonntag. Was nach dem Lebenslauf einer erfahrenen Politikerin klingt, ist eigentlich eine kurze Geschichte. Erst im November 2016 kam sie mit Politik in Berührung. Es folgte ein stetes Klettern auf der Karriereleiter, mit dem Höhepunkt der Innsbrucker Gemeinderatswahl am 22. April. Die Grünen holten zehn Mandate, eines ging an die Alberschwenderin.
Das Leben einer Dauerwahlkämpferin beschreibt Barbara Neßler so: „Von der Politik zur Uni, von der Uni zur Politik, und wieder zurück.“ Sie lacht. „Für das Privatleben ist da nicht viel Zeit.“ Wenn die 27-Jährige über Politik spricht, wird sie leidenschaftlich: „Innsbruck hat so viel Potenzial! Aber nirgends ist Wohnen teurer als hier.“ Und das Wichtigste in der Politik? „Zuhören und mit allen Menschen reden können. Diese zwei Dinge habe ich zu Hause gelernt“, erzählt sie. Zu Hause, das ist in Alberschwende. Barbara Neßler wird am 2. März 1991 in eine Wirtshausfamilie geboren. Dort sei sie früh mit allen möglichen Menschen zusammengekommen. Eine Grüne aus dem Bregenzerwald sollte schon seit Kaspanaze Simma keine Exotin mehr sein, aber: „Ich komme aus einer klassischen Wälder ÖVP-Familie“, erzählt Barbara Neßler und muss grinsen. „Natürlich hat es Diskussionen gegeben.“ Kurze Pause, dann fügt sie an: „Aber sie freuen sich natürlich für mich.“
Lange im Spital
Politik war trotzdem lange kein Thema. Nach der Hauptschule maturierte die 27-Jährige an der Bregenzer Schule Marienberg. Anschließend absolvierte sie ein freiwilliges Soziales Jahr bei der Caritas. Es folgte eine lange Zwangspause. Barbara Neßler verbrachte ein halbes Jahr im Krankenhaus, einige Zeit davon auf der Intensivstation. „Ich hatte eine schwere Blutvergiftung.“ Das ist mittlerweile fünf Jahre her. In dieser Zeit habe sie begonnen, darüber nachzudenken, sich zu engagieren. „Ich hatte das Gefühl, dass ich mehr tun soll, dass ich mich einbringen muss.“ Irgendwann sei der Zeitpunkt gekommen, an dem sie nicht mehr nur jammern wollte, sondern zur Tat schritt.
Ende November 2016 schrieb sie eine E-Mail an die Grün-Alternativen Studenten. Einige Wochen später war sie bereits zur Spitzenkandidatin für die ÖH-Wahl im Mai 2017 gekürt. Im Herbst 2017 folgte die interne Wahl auf Listenplatz sechs der Innsbrucker Grünen – und zwar im ersten Anlauf. Am 22. April schaffte sie schließlich den Einzug in den Gemeinderat. Nur Klubobfrau Uschi Schwarzl und Bürgermeisterkandidat Georg Willi holten mehr Vorzugsstimmen als die 27-Jährige aus Alberschwende. Am Sonntag hofft sie noch einmal auf Vorarlberger Studenten. Und zwar dann, wenn es darum geht, wer Bürgermeister wird. Dies sollte ihr letzter Wahlkampf werden; zumindest heuer. VN-mip
„Mann muss Zuhören und mit allen Menschen reden können. Das habe ich zu Hause gelernt.“




Zur Person
Barbara Neßler
frisch gewählte Innsbrucker Gemeinderätin (Grüne)
Geboren 2. März 1991
Wohnort Innsbruck, stammt aus Alberschwende
Ausbildung derzeit Studium Geschichte und Deutsch auf Lehramt
Familie eine Schwester (19) und ein Bruder (21)
Hobbys Malen, Kunst