In der Welt der Gesten

Xenia Dürr leitet einen Workshop bei den Mädchen-Impulstagen.
Bregenz Xenia Dürr kann sprechen, besser identifizieren kann sie sich aber mit der österreichischen Gebärdensprache: Die 29-Jährige wurde gehörlos geboren, im Alter von neun Jahren bekam sie ein Cochlea-Implantat am linken Ohr eingesetzt. „Zuvor hatte ich ein Hörgerät. Mit dem Cochlea-Implantat habe ich mich zwar sprachlich verbessern können, aber das war denn schlussendlich nicht genug“, erzählt sie. Jetzt lebt sie zwischen zwei Welten. „Mit einem Cochlea-Implantat wird man nicht wieder hörend. Es ist nur ein technisches Hilfsmittel, das einen unterstützt. Man bleibt trotzdem gehörlos“, sagt die 29-Jährige.
Auch in der Schule musste sie Hürden überwinden. „Es war anstrengend fünf, sechs Stunden lang alles von den Lippen abzulesen. Ich musste vieles zu Hause nochmals extra lernen, weil ich nicht alles verstanden habe.“ Heute arbeitet Xenia Dürr als selbstständige Fotografin, gibt Gebärdensprachkurse und leistet Aufklärungs- und Sensibilisierungsarbeit zum Thema gehörlose Kultur. „Viele denken, dass Gehörlose stumm sind und nicht gebildet. Das ist ein weit verbreiteter Irrtum. Gehörlose haben eine eigene Sprache, und zwar die österreichische Gebärdensprache, die seit 2005 als vollständige, eigenständige Sprache anerkannt ist. Für mich ist es wichtig, Brücken zu bauen zwischen der hörenden und der gehörlosen Welt.“
Foto-Workshop
Mit gesellschaftlichen Normen, Vorurteilen und Diskriminierungen beschäftigt sich die junge Bregenzerin auch als Fotografin. „Ich versuche durch die Foto indirekt aufzuklären, manchmal auch auf provokante Art und Weise“, erläutert sie. Bei einem Foto-Workshop bei den Mädchen-Impulstagen, die in den kommenden Tagen (16. bis 18. Mai) im Mädchenzentrum Amazone über die Bühne gehen, zeigt die 29-Jährige, wie sich Mädchen gegen Belästigungen im öffentlichen Raum („Street Harassment“) wehren können. Die Mädchen von früher für die Mädchen von heute sozusagen. „Ich war schon als junges Mädchen immer in der Amazone. Ich habe mich dort sofort wohl gefühlt. Im Fotolabor habe ich die ersten Fotos entwickelt“, blickt sie zurück. Übersetzt wird der Workshop von einer Gebärdensprachdolmetscherin. Xenia Dürr selbst hat Gebärdensprache erst nach ihrem Umzug nach Wien gelernt und ist damit in die gehörlose Welt so richtig eingetaucht, berichtet sie und ergänzt: „Gebärdensprache ist etwas Schönes und Natürliches. Ich kann mich auch besser damit identifizieren. Das Cochlea-Implantat hat den Vorteil, dass ich mit Hörenden kommunizieren kann. Aber dann passe ich mich an die Hörenden an und diese Anpassung stresst mich manchmal. Ich wünsche mir, dass die anderen auch Interesse zeigen für die Gebärdensprache, dem Thema entgegenkommen und versuchen, mit den Händen zu kommunizieren.“ Vn-ger
Zur Person
Xenia Dürr
leitet bei den Mädchen-Impulstagen den Workshop „Street Harassment“
Wohnort Wien, aufgewachsen in Bregenz
Ausbildung BG Gallus, dipl. Fotografin, Studium der Sprachwissenschaften, Ausbildung zur Gebärdensprachpädagogin
Hobbys Reisen, Freunde treffen, Lesen, Fotografieren