KZ Mauthausen und die Logistik des Grauens

Wissen / 01.02.2013 • 20:04 Uhr
Das KZ Mauthausen ist zu einem Symbol der Nazi-Schreckensherrschaft geworden. Foto: apa
Das KZ Mauthausen ist zu einem Symbol der Nazi-Schreckensherrschaft geworden. Foto: apa

Die Verwaltung des Vernichtungslagers vermittelt Einblicke in das Verbrechen.

Wien. 27. Februar 1943: Das Konzentrationslager Mauthausen bekommt 16.213 Unterhosen aus der „Altbekleidung Ost“ zugewiesen. Das notierte der Verwaltungsführer des Lagers penibel in seinem Logbuch. Hinter dieser kurzen und nüchternen Eintragung verberge sich jedoch die „Monstrosität des Geschehens im Verwaltungsalltag“, erklärte Bertrand Perz, Zeithistoriker an der Universität Wien. Perz hat den Verwaltungsführerbericht des Lagers aufgearbeitet.

Die Geschichte dahinter

Wie monströs dieser kurze Eintrag tatsächlich ist, zeigt die Geschichte dahinter: Die SS verfügte wegen rapide steigender Häftlingszahlen und kriegsbedingten Mangelerscheinungen nicht mehr über ausreichend Bekleidung für die Gefangenen. Daher wurde auf die „Altbekleidung Ost“ zurückgegriffen, Kleidung ermordeter Juden aus den NS-Vernichtungslagern in Polen.

Lebensmittelbestellungen, Angorahasenzucht, Distribution von Kleidung und Kassaführung, aber eben auch der Ankauf des Giftgases Zyklon B: Die Verwaltung des KZ Mauthausen habe sich nicht grundsätzlich von modernen Verwaltungen unterschieden, so Perz. „Für den Betrieb moderner Lager war eine Verwaltung Voraussetzung, die moderne bürokratische Techniken beherrschte“, meinte der Zeithistoriker. Tatsächlich seien die Verwaltungsführer meist Leute mit kaufmännischer Ausbildung oder Buchhalterkenntnissen gewesen, sie mussten Angebote einholen, Magazine verwalten und Verträge aushandeln.

Egal ob Gläsereinkauf oder der Besuch eines hochrangigen SS-Funktionärs wie Ernst Kaltenbrunner, penibel wurde jedes Vorkommnis vermerkt. In der editierten Version erklärt Perz Begrifflichkeiten und liefert die historischen Hintergründe. Damit will er die Quelle auch für Laien erschließen.

Erschießungen verschwiegen

Am 7. Mai 1942, dem Tag, an dem Kaltenbrunner das Lager besuchte, seien etwa auch 70 Häftlinge erschossen worden. Darüber schweigt der Bericht. Die Anzahl der Besuche in den über 400 Eintragungen ist jedoch groß, hier sei Proponenten des Regimes die nationalsozialistische Verwaltungs- und Ordnungspolitik vorgeführt worden, meinte der Historiker.

Die Vermerke erstrecken sich über die Jahre 1941–44, es ist der einzige erhalten gebliebene Verwaltungsführerbericht eines Konzentrationslagers. „In den Erzählungen von Überlebenden finden sich kaum Hinweise auf Verwaltungsführer oder generell die Verwaltung in den Lagern, da sie in der Regel keine direkte Gewalt ausübten“, erklärte Perz. Auch deshalb sei dieser Aspekt lange nicht beleuchtet worden, auch wenn der Verwaltungsapparat nicht klein gewesen sei.