Nur Hiobsbotschaften aus havariertem AKW

Wissen / 09.08.2013 • 11:19 Uhr
Nur Hiobsbotschaften aus havariertem AKW

Pannen durch Lecks. Verseuchtes Wasser. Die Zwischenfälle ums AKW häufen sich.

FUKUSHIMA. 11. März 2011, 14.46 Uhr Ortszeit. Ein Erdbeben der Stärke 9 erschüttert die japanische Region Tohoku. Die Folge ist ein Tsunami. Die ersten Flutwellen erreichen das Kraftwerksgelände in Fukushima und lösen eine Atomkatastrophe aus. Um 16.36 Uhr meldet die Betreiberfirma des Atomkraftwerks Fukushima – die Elektrizitätswerke von Tokio „Tepco“ – einen „nukleare Notfall“ an die Aufsichtsbehörde. Den „nukleare Notstand“ ruft die japanische Regierung um 19.03 Uhr aus. Ab 20.50 Uhr werden 1864 um den Reaktorblock 1 lebende Personen evakuiert.

Innerhalb der kommenden vier Tage werden vier der sechs Reaktorblöcke des Kernkraftwerks Fukushima I zerstört. Druckentlastungen, Explosionen und Brände setzen erhebliche Mengen an radioaktiven Gasen und Partikeln frei.

Das Versagen der Kühlsysteme der Anlage hat eine Kernschmelze zur Folge. Die Evakuierung wird auf Hunderttausende Bewohner im Umkreis von 20 Kilometern erweitert.

Obwohl seitens Tepco immer wieder versichert wurde, die Lage unter Kontrolle zu haben, häufen sich seit dem Unglück vor zwei Jahren die Zwischenfälle im havarierten Atomkraftwerk. Und die Lage ist offensichtlich weitaus dramatischer, als Tepco bislang eingestanden hat. Von Lecks wurde bereits im April dieses Jahres berichtet. Am 20. Juni wurde im Grundwasser beim Atomkraftwerk ein erhöhtes Niveau des strahlenden Stoffes Strontium 90 gefunden. Zwei Tage später sind aus einer lecken Entsalzungsanlage 360 Liter verseuchtes Meerwasser entwichen, das zur Kühlung der havarierten Reaktoren eingesetzt wurde. Am 10. Juli gerieten aus einem Leck radioaktive Stoffe ins Grundwasser, wodurch dessen Belastung mit Cäsium-137 auf 18.000 Becquerel anstieg. Das ist 200 Mal höher als erlaubt.

Lange hatte Tepco die radioaktive Verschmutzung des Pazifiks bestritten. Erst im vergangenen Monat, am 12. Juli, gab das Energieunternehmen zu, dass belastetes Wasser in den Boden einsickere und das Meer verseuche. Dabei handelt es sich um gewaltige Massen, die aus der Atomruine fließen: um 300 Tonnen jeden Tag. Und das geschieht so: Von den Bergen oberhalb der strahlenden Ruine läuft Grundwasser in die Reaktorgebäude, vermischt sich mit dem kontaminierten Kühlwasser und fließt dann ins Meer. Tepco hat erfolglos versucht, das Wasser aus den Bergen umzuleiten. Auch eine in den Boden gespritzte Chemikalie, die eine Barriere bilden sollte, hat sich als unwirksam erwiesen. Das Grundwasser hat die Sperre überwunden. Die Belastung mit Cäsium-134 ist binnen weniger Tage um das 90-Fache angestiegen. Vom radioaktiven Stoff Tritium seien seit der Atomkatastrophe insgesamt 20 bis 40 Billionen Becquerel ins Meer gelangt.

Die eingesetzten Reparaturtrupps sind mit enormen Problemen konfrontiert. Um ein weiteres Eindringen von Wasser in die zerstörte Atom-anlage zu verhindern, soll jetzt ein unterirdischer Wall aus gefrorenem Boden um die Reaktorgebäude errichtet werden. Tepco gilt mittlerweile als „Versager“ und ist finanziell schwer angeschlagen. Darum versucht jetzt das japanische Wirtschaftsministerium, die Kontrolle über die Finanzierung der geplanten gigantischen Kühlanlage um die Gebäude zu erlangen.

Offenbar nichts gelernt

Ungeachtet der Gefahr, die vom Katastrophenreaktor in Fukushima ausgeht, hat sich die neue Regierung Japans für die Weiternutzung der Atomenergie entschieden. Japans Institut für Energiewirtschaft zufolge sollen die ersten modernisierten Reaktoren 2014 wieder ans Netz gehen.