Krankheit beeinflusst den Lauf der Geschichte

Wissen / 29.11.2013 • 18:44 Uhr
Lenins einbalsamierter Leichnam ist im Mausoleum auf dem Roten Platz in Moskau aufgebahrt. Das Hirn des roten Führers war krank. Foto: AP
Lenins einbalsamierter Leichnam ist im Mausoleum auf dem Roten Platz in Moskau aufgebahrt. Das Hirn des roten Führers war krank. Foto: AP

Kranke Herrscher treten nicht zurück. Zu ausgeprägt ist die Begierde nach Macht.

schwarzach. Adenauer, Lenin, Stalin, Hitler, Mussolini, Churchill, Mao, De Gaulle, Kennedy: Diese und viele andere Männer, die im 20. Jahrhundert als demokratisch gewählte Staatschefs oder Diktatoren regierten, waren schwer krank. Jeder von ihnen wusste das, aber Rücktritt zog keiner jemals in Betracht. Ihre Leiden hielten sie vor der Öffentlichkeit geheim – so gut es ging. Doch auch die geheimst gehaltenen Gebrechen der Herrscher sind ans Tageslicht gekommen.

Die Krankengeschichten von 28 Staatsmännern des 20. Jahrhunderts haben der französische Publizist Pierre Accoce und der Schweizer Mediziner Pierre Rentchnick in ihrem Buch „Kranke machen Weltgeschichte“ beschrieben. Fazit der Autoren: Viele Länder wurden von kranken Staatschefs regiert.

Der „furchterregende Greis“

Der erste Bundeskanzler Deutschlands, Konrad Adenauer, hatte seit der Jugend gesundheitliche Probleme wegen seines engen, hohlen Brustkorbs. Die Folgen waren beschränkte Atemkapazität, Tuberkulose, Lungenentzündungen, Diabetes, Herzinfarkt. Dazu gesellten sich später Verfolgungswahn und Senilität. 80-jährig erkannte sich Adenauer oft selbst nicht mehr und verlor das Zeitgefühl. Doch er klammerte sich weiterhin an die Macht, wurde zum „furchterregenden Greis“. Eine Zerebralthrombose beendete am 19. April 1967 sein Leben.

Laut den Krankenblättern seines Leibarztes Dr. Morell war Adolf Hitler bis 1940 vollkommen gesund. Bluthochdruck, Herzinsuffizienz, Kopfschmerzen, Gedächtnisverlust und erste Anzeichen der Parkinson-Erkrankung stellten sich 1941 ein. 1944 erlitt Hitler eine Blutung im Glaskörper des rechten Auges. Dazu kam eine Hepatitis. 1945 verschlechterte sich der Zustand des Führers. Starkes Zittern und epileptische Anfälle machten dem 56-Jährigen zu schaffen. Als er sich am 30. April 1945 im Führerbunker durch einen Kopfschuss das Leben nahm, war sein Organismus bereits deutlich verfallen.

Der Ministerpräsident des Königreiches Italien und Gründer sowie Führer der Faschistischen Partei und des faschistischen Regimes, Benito Mussolini, litt an Neurosyphilis. Allerdings starb der „Duce“ nicht an dieser Infektionskrankheit, die man damals mit Quecksilber, Arsen und Wismut behandelte, sondern wurde am 28. April 1945 „standesrechtlich“ erschossen.

Eine Hirnarteriosklerose und vier Hirnschläge ließen den sowjetischen Staatschef Wladimir Iljitsch Lenin nur 55 Jahre alt werden. Auch sein Herz war geschwächt. Gestorben ist er am 21. Jänner 1924. Seine einbalsamierte Leiche ist heute eine Touristenattraktion in Moskau.

Ein organischer Zusammenbruch hat Josef Stalin am 5. März 1953 im Alter von 74 Jahren dahingerafft. Eine Blutung in der linken Hirnhälfte hatte zu irreparablen Schädigungen des Kreislaufs und der Atmung geführt. Sowohl Lenin als auch Stalin waren Diktatoren, die an ihrer Macht festgehalten haben, obwohl beide „hirnkrank“ waren. Weil der britische Premierminister Winston Churchill den hohen Blutdruck und ersten Herzanfall nicht ernst genommen hatte, wurde sein körperlicher Verfall beschleunigt. Er wurde trotzdem 91 Jahre alt, als er am 24. Jänner 1965 starb.

Macht und Gesundheit

Es war der Hunger nach Macht, der Frankreichs General Charles de Gaulle „gesund“ hielt. Doch so gesund war der Mann nicht. Er zählte zu den Menschen, die ihren Körper nicht zu fühlen scheinen. Es begann mit Diabetes, die zur operativen Entfernung beider Augenlinsen führte, und endete mit einem Aorta-Aneurysma, das zum Tod führte. De Gaulle war 80.

An einer sogenannten Hirnerweichung durch Mikroinfarkte litt Mao Tse Tung. Der kommunistische Führer der Volksrepublik China ging 83-jährig am 9. September 1976 in das Reich des himmlischen Friedens ein.

Malaria, Niereninsuffizienzen, Rückenprobleme. Zudem soll er sich durch seine zahllosen außerehelichen Affären eine Gonorrhoe zugezogen haben. Der vor 50 Jahren erschossene US-Präsident John F. Kennedy ließ seine Leiden mit einer Vielzahl von starken Medikamenten behandeln.

Und wie schaut es heute aus? Setzen jene, die gegenwärtig an der Macht sind, Gesundheit voraus, um geschichtsträchtige Entscheidungen zu treffen?