Rudolf Öller

Kommentar

Rudolf Öller

Saurier an Bord

Wissen / 06.12.2013 • 18:46 Uhr

Die USA gelten als das Land der unbegrenzten Möglichkeiten, und das ist nur geringfügig übertrieben. Großer Reichtum, bedrückende Armut, gewaltige Waffensysteme, wissenschaftliche Spitzenleistungen und schräge Vögel aller Art kann man hier sehen. Europa ist beschaulicher, Abweichungen vom Durchschnitt sind bei uns seltener anzutreffen.

Die USA sind bekannt für ihre Spitzenuniversitäten und ihre große Zahl an Nobelpreisträgern, aber auch am anderen Ende der Skala findet man Erstaunliches. In der südkalifornischen Kleinstadt Santee gibt es das „Creation and Earth History Museum“. Es handelt sich um ein Museum, in dem eine evangelikale Religionsgemeinschaft den Besuchern zu erklären versucht, dass unsere Erde vor wenigen tausend Jahren erschaffen wurde und die Bibel bis ins kleinste Detail absolut wörtlich zu nehmen ist. Das Ganze wird nicht als Religion, sondern als „Wissenschaft“ verkauft.

Es wird gezeigt, dass die Welt in exakt sechs Tagen von Gott erschaffen wurde. Da die Sonne laut Bibel erst am vierten Tag aufleuchtete, erhebt sich die Frage, wie lange die ersten drei Tage gedauert haben. Darauf wird nicht eingegangen. Für Biologen ist der Tod ein Teil des Lebens und so natürlich wie eine Geburt. Nach dem Tod werden alle Lebewesen chemisch zersetzt, es wird dadurch Platz für neues Leben geschaffen. Für die Kreationisten ist der Tod erst durch die Sünde in die Welt gekommen (Römerbrief 5,12). Infolgedessen waren Raubtiere wie Löwen, Wölfe und Haie zuvor Veganer. Die Arche Noah wird im Museum als Modell dargestellt. Da es sehr viele Tierarten gibt, war sie so groß wie ein Flugzeugträger. Eine erstaunliche Ingenieursleistung für Noahs Familie. Nicht nur das. Es waren auch Saurier an Bord, die erst nach der großen Flut ausgestorben sind. Die Begründung der Kreationisten sei den Lesern gnädig erspart.

Erst nach der Sintflut kam eine Eiszeit (nur eine, nicht wie in Wirklichkeit vier) mit Landbrücken zwischen den Kontinenten, die es den Tieren ermöglichte, sich über die Welt zu verbreiten. Geschwindelt wird ohne Ende. Radioaktive Zerfallszeiten werden falsch angegeben und einer der Vorfahren des modernen Menschen, der Australopithecus, bekannt auch als „Lucy“, wird im Museum als Affe angeführt, was absolut falsch ist.

Die katholische Kirche bekommt einen bösen Seitenhieb. Der heilige Thomas von Aquin (1225–1274) hat erkannt, dass die Bibel zur Erklärung der Welt nicht ausreicht, deswegen hat er den bekannten Philosophen Aristoteles in seiner Theologie mit berücksichtigt. Im Museum wird ihm dafür vorgeworfen, seine Lehre sei (wörtlich) „an undermining of Biblical authority“. Für aufgeklärte Besucher erscheint das Museum exceptional odd and strange.

Unter dem Titel „Scheinwerfer“ geben die VN Gastkommentatoren Raum, ihre persönliche Meinung zu äußern. Sie muss nicht mit der Meinung der Redaktion übereinstimmen.