Vielfalt „alter“ Sorten als Saatgut verbreiten

„Arche Noah“ hat Samenarchiv von 6000 verschiedenen traditionellen Kulturpflanzen.
schwarzach. Seit rund 100 Jahren ist die Vielfalt der Kulturpflanzen weltweit um dramatische 75 Prozent zurückgegangen. Heute gefährden Gentechnik, Saatgut-Monopole, Klimawandel und Kriege dieses kostbare Erbe. Der Verein „Arche Noah“ mit Hauptsitz im niederösterreichischen Schiltern bewahrt und pflegt Tausende gefährdete Gemüse-, Obst- und Getreidesorten.
Erfolgreich arbeitet der Verein daran, traditionelle und seltene Sorten wieder in die Gärten und auf den Markt zu bringen – dank der Unterstützung von über 11.000 engagierten Mitgliedern und Förderern. Sie verbindet, dass die Sortenentwicklung mit einer respektvollen Haltung gegenüber den Kulturpflanzen betrieben, Gartenbau und Landwirtschaft als Kulturleistung anerkannt wird.
Das Einkaufen soll gezielt zu einer nachhaltigen Landwirtschaft beitragen, das Kochen zu einer Liebeserklärung werden lassen, Pflanzen, Tiere und Produzenten würdigen. Gemäß der Philosophie „Erhaltung durch Nutzung“ sei es wichtig, dass viele Menschen Zugang zu diesen gefährdeten Sorten haben. Deshalb gibt „Arche Noah“ über das Sortenhandbuch Saatgut weiter. Auch 150 private Erhalter beteiligen sich an diesem „überregionalen Austausch“. Das Sortenarchiv ist eine der größten privaten Kulturpflanzensammlungen Europas.
Arbeiten im Netzwerk
Die Erhalter bewahren gefährdete Sorten in ihren Gärten. Sie nutzen, beobachten und pflegen diese, stellen Saat- und Pflanzgut zur Verfügung und entwickeln ihre Sorten hin zu neuer Vielfalt. Bauern machen mit, wichtige Partner sind dabei Slow Food und Bio Austria. Außerdem arbeitet die „Arche“ mit biologischen Baumschulen und Züchtungsschulen sowie internationalen Organisationen weit über die Grenzen Österreichs hinaus zusammen. Mit der Gartensaison 2012 begann eine langfristig angelegte Zusammenarbeit mit Spar.
Der Biobetrieb „Sunna-hof“ in Göfis-Tufers, eine Tochtergesellschaft des Vereins Lebenshilfe Vorarlberg, ist als Produzent von Bio-Jungpflanzen bei der „Arche Noah“: „Wir erwerben dort das Saatgut und ziehen die Jungpflanzen heran“, so Geschäftsführer Thomas Lampert. Traditionelle Tomatensorten zum Beispiel seien robust und weniger anfällig. „Was wir hier anbauen, gibt es in keinem Supermarkt, wir spielen in der obersten Qualitätsliga.“ Vermarktet werden die Pflanzen zu 99 Prozent ab Hof: „Die Konsumenten sollen sehen, was Menschen mit Behinderung erarbeiten können.“ Die Nachfrage sei in den vergangenen Jahren stark gewachsen: Die Folienflächen wurden auf 1100 m2 erweitert. Der Absatz ist also gesichert.
Saatgut-Gesetzgebung
Zivilgesellschaftlich aktiv zu sein ist für die „Arche Noah“ keineswegs tabu: Der Entwurf für eine neue Saatgutverordnung musste zwar zurück an den Start, ist damit aber noch nicht tot: Denn nun ist wieder die EU-Kommission am Zug, die sich bisher geweigert hat, den Wunsch Hunderttausender EU-BürgerInnen nach mehr Vielfalt ernst zu nehmen. Ein neuer Entwurf für eine EU-Saatgutverordnung wurde für Anfang 2015 angekündigt. „Um weiterzuführen, was mit unserem gemeinsamen Einsatz erfolgreich gestartet wurde, müssen wir noch viele politische und praktische Aktivitäten setzen“, sagt die Sprecherin Katrin Ehlert. Kürzlich wurde die Saatgutgewinnung und Erhaltung des Vereins ins Verzeichnis des UNESCO-Kulturerbes aufgenommen.