“Nichts unter Kontrolle”

Wissen / 05.09.2014 • 15:44 Uhr

Um den Fukushima-Super-Gau werden Folgen vertuscht und Experten mundtot gemacht.

schwarzach. Nach dem Super-Gau in Fukushima hat sich eine 58-jährige Frau kürzlich aus Verzweiflung über ihre unsichere Zukunft mit Benzin übergossen und in Brand gesteckt. Die Zahl der Selbstmorde in der japanischen Präfektur Fukushima ist weitaus höher als in anderen Regionen Japans.

Warnung vor Radioaktivität

Noch immer leben etwa 125.000 Bewohner Fukushimas in provisorischen Behelfsunterkünften. Infolge des schweren Bebens und Tsunamis waren etwa 18.500 Menschen in den Tod gerissen worden oder gelten als vermisst. Strahlenbelasteter Reis wird wieder ins Ausland exportiert, einige Zielländer haben den Tee aus der Region glatt zurückgeschickt. Bereits im Oktober 2013 warnte der japanische Atomkraftgegner und Buchautor Takishi Hirose in einem offenen Brief alle jungen Athleten vor der wachsenden radioaktiven Belastung Japans und der Teilnahme an den Olympischen Spielen 2020 in Tokio.

Der renommierte Münchner Strahlenmediziner Edmund Lengfelder ist auch in Vorarlberg durch seine Kooperation mit der VN-Aktion „Vorarlberg hilft Strahlenopfern“ und das aktive Engagement für Alternativen für Kernkraft-Nutzung bestens bekannt. Er baute in Gomel nach Tschernobyl ein Schildkrebskranken-Zentrum auf, kennt die miesen Machenschaften der Atomlobby wie kaum ein anderer. „Nichts ist in Fukushima unter Kontrolle“, sagt er. Alle Veröffentlichungen der japanischen Staatsmacht und des Betreiberkonzers TEPCO wollen keine Details herausgeben. „Dabei haben sie ja alles.“

In der Kinderleukämiestation Gomel haben japanische Mediziner per Video-Konferenzen die ersten peripheren Transplantationen von Stammzellen begleitet. Bereits in den 1990er-Jahren. Dennoch haben Kollegen aus Nordrhein-Westfalen und die japanische Präfektur Fukushima ihre Zusammenarbeit auf dem Feld der Medizintechnik „weiter vertieft“.

Immer mehr Krebskranke

„Die Japaner haben nach der Kernschmelze in drei von vier Reaktorblöcken mehr gelogen als die russische Regierung nach Tschernobyl“, so Lengfelder.

Die große Welle an Krebserkrankungen kommt erst. Die Zeit zwischen der Aufnahme von Cäsium-134 und dem Ausbruch betrage bei Kindern bis zu sechs Jahre und mehr. Bei Schilddrüsenkrebs geht es etwas schneller. Heute wird ein Teil des hoch radioaktiven Abwassers fassweise in Flüsse der Region, wo sie in das Grundwasser gelangen, und das Meer verklappt. Altbekannte Methode, um die tonnenweise Lebensmittel doch noch auf den internationalen Märkten loszuwerden: Die Grenzwerte werden einfach heruntergesetzt.

„Wir haben heute, 28 Jahre nach Tschernobyl, in Bayern Wildschweine, die 20.000 Bequerel aufweisen, der Grenzwert liegt bei 600. Die „Stimme Russlands“ zu den Wurzeln des Problems: „Nach Einschätzungen von Fachleuten kann die Liquidierung der katastrophalen Folgen der Havarie im Atomkraftwerk Fukushima 1 mehrere Jahrzehnte in Anspruch nehmen. Störungen und das Durchsickern von radioaktiv verseuchtem Wasser verfolgen die Kraftwerksbetreiber all die drei Jahre seit der Havarie im März 2011.

Die gegenwärtigen Probleme seien in vielem Fehler der Vergangenheit, meinen russische Experten. Das japanische Atomkraftwerk Fukushima 1 wurde nach einem Projekt des US-amerikanischen Unternehmens General Electric erbaut. Dieses Projekt war ursprünglich nicht sehr sicher, es gab Fragen.

Neue Publikation von Edmund Lengfelder und Christine Frenzel vom Otto-Hug-Strahleninstitut in München: www.marseille-verlag.com