EU gibt grünes Licht für Beihilfe zu AKW-Bau

In England wird neues Kernkraftwerk gebaut. Steuergelder fließen an die Atomlobby.
SCHWARZACH, brüssel. Es ist ein Skandal: In der Nacht von Dienstag auf Mittwoch hat die fast nicht mehr existente EU-Wettbewerbskommission still und heimlich beschlossen, grünes Licht für die Beihilfe für den ersten AKW-Neubau seit Fukushima zu geben.
Am Tag davor hatte EU-Kommissionssprecher Antoine Colombani in Brüssel mitgeteilt, dass die noch amtierende EU-Kommission noch vor Ablauf ihres Mandats am 31. Oktober eine positive Entscheidung für die Staatsbeihilfe zum Bau des Atomkraftwerks Hinkley Point C in England treffen werde. „Unsere Diskussionen mit den britischen Behörden haben zu einer Übereinkunft geführt“, hatte er erklärt. Daraufhin werde er die Genehmigung des Projektes nach den EU-Regeln für Staatsbeihilfen vorschlagen. Das heißt, von den englischen Steuerzahlern fließen über 30 Milliarden Euro an Frankreichs Atomkonzern EDF.
Das Kraftwerk Hinkley Point C mit zwei Druckwasserreaktoren des französischen Herstellers Areva soll in Somerset in Südwestengland entstehen. Es ist der erste derartige Neubau in Großbritannien seit rund 20 Jahren und hat dort hohe Priorität. Denn das Land will in den kommenden Jahren jedes fünfte seiner alternden Atomkraftwerke ersetzen. Für Frankreich ist die Anlage ein wichtiges Exportgeschäft. Die Aufrüstung in der Kernenergie in Europa bestätigt einmal mehr, dass aus den Katastrophen in Tschernobyl 1986 und Fukushima 2011 nichts gelernt wurde.
Sauer auf die Beihilfe-Genehmigung hat der grüne EU-Abgeordnete Michel Reimon (43) reagiert. Er wirft EU-Almunia „einen Kniefall vor der Atomlobby“ vor. „Die Finanzierung dieser schmutzigen Hochrisikotechnologie ist inakzeptabel. Ein Präzedenzfall droht. Andere Mitgliedsstaaten werden solche Subventionen nun auch verteilen wollen“, kritisiert Reimon. Der österreichische EU-Kommissar Johannes Hahn müsse sich in der EU-Kommission gegen die Atomlobby stark machen. Umweltminister Andrä Rupprechter (ÖVP) droht im Namen der Republik Österreich mit einer Klage vor dem Europäischen Gerichtshof, sollte die EU an ihrem Beschluss festhalten.
Die Umweltorganisation Global 2000 kündigte an, rechtliche Schritte gegen eine „drohende Fehlentscheidung“ der EU-Kommission zu dem britischem Atomkraftwerk zu prüfen, wie Reinhard Uhrig, Anti-Atom-Sprecher der Organisation, mitteilte. Die Kommission müsse Farbe bekennen, ob sie noch in Eile und im letzten Moment die Vergangenheitstechnik Atomkraft mit weiteren Steuermilliarden subventionieren lassen wolle.
Gefährliche Fehlentscheidung
„Unbegreiflich, dass man sich immer noch gegen solche gefährlichen Fehlentscheidungen wehren muss“, sagt die Anti-Atom-Aktivistin und Russ-Preis-Trägerin Hildegard Breiner (78). „Zusammen mit dem Österreichischen Netzwerk Atomkraftfrei (ÖNA) habe ich deshalb einen offenen Brief unterschrieben, in dem die Bundesregierung aufgefordert wird, im Falle der Beihilfenzusage eine Nichtigkeitsklage beim EuGH einzubringen. Vom österreichischen EU-Kommissar Johannes Hahn erwarten wir, dass er entsprechende Allianzen mit den anderen AKW-freien Mitgliedsstaaten schmiedet.“
Hahn soll Allianzen mit atomfreien EU-Staaten schmieden.
Hildegard Breiner