“Abbau von Öl, Gas und Kohle muss aufhören”
Um die Klimaerwärmung zu bremsen, müssen fossile Energiereserven im Boden bleiben.
LONDON, SCHWARZACH. (VN-hrj) Um der globalen Klimaerwärmung entgegenzuwirken, müssten in den nächsten 40 Jahren erhebliche Mengen von Kohle, Öl und Gas in der Erde bleiben. Die Wissenschafter Christophe McGlade und Paul Ekins vom University College London haben im Rahmen einer Studie ausgerechnet, dass etwa ein Drittel der gegenwärtig förderbaren Ölreserven ungenutzt bleiben sollten. Bei Gas wäre es die Hälfte. Bei Kohle dürften mehr als 80 Prozent nicht abgebaut werden. Unter diesen Bedingungen bestünde wenigstens eine 50-prozentige Chance, die globale Erwärmung auf die zwei Grad über dem vorindustriellen Wert zu begrenzen. „Eine unverminderte Nutzung dieser Reserven ist mit dem 2-Grad-Ziel nicht kompatibel“, teilen die beiden Forscher mit.
Fördermengen reduzieren
McGlade und Ekins ermittelten außerdem mit Hilfe komplexer Computermodelle, in welchen Ländern welche Mengen gefördert werden dürften, um die globale Erwärmung begrenzen zu können. Ihre Modelle berücksichtigen zahlreiche Annahmen, unter anderem über den Aufwand und die Kosten der Förderung und die künftige technologische Entwicklung. Auf diese Weise errechneten die Forscher auch, wo welche Ressourcen besonders günstig ausgebeutet werden können und bieten damit eine Art „globale Optimallösung“ an.
Die Hälfte der derzeit technisch förderbaren Ölreserven, die im Boden bleiben sollen, liegt im Mittleren Osten. Die dortigen Länder müssten gut 260 Milliarden Barrel Öl – etwa 38 Prozent der förderbaren Gesamtreserven – ungenutzt lassen.
Nur noch knapp zehn Prozent ihrer derzeit nutzbaren Kohlemengen dürften die USA und Australien verbrauchen.
China, Indien, die afrikanischen Staaten und der Mittlere Osten müssten die Förderung von unkonventionellen Gasreserven, wie das in Gestein gebundene Schiefergas, stark einschränken. In der Arktis sollten die fossilen Vorräte gänzlich unangetastet bleiben. „Technologien zur Speicherung und Abscheidung von Kohlendioxid, die in den kommenden Jahrzehnten möglicherweise eingesetzt werden können, erhöhten die nutzbaren Mengen fossiler Energieträger nur leicht“, informieren die Forscher. Unter Nutzung solcher CCS-Technologien könnten etwa sechs Prozent mehr Kohle verbraucht werden, der förderbare Gas-und Öl-Anteil steige um nur zwei Prozent.
Frage der Entschädigung
Der deutsche Klimaforscher Michael Jakob meint, die Stärke der Studie liege in der detaillierten regionalen Aufspaltung der Analyse, „die es so zuvor noch nicht gegeben hat“. Eine erfolgreiche Klimapolitik sei letztlich eine Frage der Entschädigung. „Einige Entwicklungsländer fragen sich natürlich, warum sie ihre vorhandenen Reserven ungenutzt lassen sollten, wenn dies doch ihr vorrangiges Ziel – die Bekämpfung der Armut – erschwert.“ Jakob ist der Ansicht, dass nur ein globales Klimaübereinkommen, das Verlierer entschädige und von allen Teilnehmern als gerecht empfunden werde, auf lange Sicht die Nutzung fossiler Energieträger streng begrenzen könne.
Künftige Technologien zum CO2-Entzug aus der Atmosphäre könnten es möglicherweise erlauben, auch nach 2050 weitere fossile Reserven zu verbrennen, sagt Jakob. „Es ist jedoch noch sehr unsicher, etwas über diese Verfahren zu sagen.“
Stichwort
Fossile Energie wird aus Brennstoffen gewonnen, die in geologischer Vorzeit aus Abbauprodukten von toten Pflanzen und Tieren entstanden sind. Dazu gehören Braunkohle, Steinkohle, Torf, Erdgas und Erdöl. Man nennt diese Energiequellen fossile Energiequellen oder fossile Brennstoffe.