Ein gefährlicher Stoff

EU-Behörde empfiehlt schärferen Grenzwert für hormonähnlich wirkendes Bisphenol A.
SCHWARZACH, PARMA. (VN-hrj) Bisphenol A (BPA) wird in bestimmten Harzen oder Kunststoffen eingesetzt und ist in Plastikflaschen, DVDs, der Innenwand vieler Dosen oder Kassenbons aus Thermopapier enthalten. Bei der Produktion gelangt BPA in die Umwelt und wird vor allem ständig aus Kunststoff-Gebrauchsartikeln freigesetzt.
Obwohl diese Chemikalie nicht natürlich vorkommt, ist sie heutzutage fast überall nachzuweisen. Sie ist in der Luft, in Staub, in Oberflächengewässern und auch im Meerwasser enthalten. Selbst in frischem Treibhausobst und in Trinkwasser aus Kunststofftanks wurde BPA entdeckt. Im menschlichen Körper findet man BPA im Urin, Blut, Fruchtwasser, in der Follikelflüssigkeit, im Gebärmuttergewebe und im Blut der Nabelschnur. Dort wirkt die Chemikalie wie das weibliche Hormon Östrogen.
Stoffe mit hormonartigen Wirkungen werden als „endokrin wirksame Substanzen“ (endocrine disrupting chemicals, EDC) bezeichnet. Das endokrine (hormonelle) System reguliert viele Körperfunktionen, unter anderem den Stoffwechsel, das Immunsystem, Verhalten und Wachstum sowie die Organentwicklung während der Schwangerschaft und in der Kindheit.
Aufgrund seiner Wirkung auf das hormonelle System gilt BPA als Verursacher von Entwicklungsstörungen, neurologischen Schäden, einem schwachen Immunsystem, erhöhtem Krebsrisiko, Verhaltensauffälligkeiten, Unfruchtbarkeit bei Männern, Übergewicht, Diabetes und Herz-Kreislauf-Problemen.
Kaputte Kinderzähne
Ende 2013 haben Forscher der Universität Paris-Decartes zudem herausgefunden, dass BPA die richtige Entwicklung von Zahnschmelz bei Kindern verhindern und Molar-Incisor-Hypomineralisation (MIH) auslösen kam. Bei dieser Störung treten an Schneide- und Backenzähnen Flecken auf, der Zahnschmelz wird brüchig, die Zähne werden schmerzempfindlich und kariesanfällig. Besonders betroffen seien Kinder in den ersten Lebensmonaten, wenn sich der Zahnschmelz zu bilden beginnt.
Seit Langem schon warnen Forscher sowie Umweltorganisationen, wie Global 2000, davor, wie schädlich BPA für den Menschen, aber auch für Tiere ist. Trotz ihrer Gefährlichkeit wird diese Chemikalie nicht EU-weit verboten. Doch nun hat die EU-Behörde für Lebensmittelsicherheit EFSA eine bedeutende Entscheidung getroffen: Der empfohlene Grenzwert für BPA ist deutlich verschärft worden. Der Wert des Stoffes wurde von 50 Mikrogramm pro Kilogramm Körpergewicht und Tag auf 4 heruntergesetzt.
Als Grund für den Richtungswechsel bei dem Grenzwert gab die in Parma (Italien) ansässige EFSA an, bei der letzten Bewertung im Jahr 2006 seien weniger Daten zur Verfügung gestanden. Der neue Grenzwert sei noch vorläufig, bis die Ergebnisse einer Langzeitstudie mit Ratten vorliegen. Das sei in zwei bis drei Jahren.
„Die Bewertung der EFSA wird Grundlage für die EU-Kommission sein, die zu entscheiden hat, wie sie damit umgeht“, informiert der Toxikologe des deutschen Bundesinstituts für Risikobewertung (BfR), Detlef Wölfle, der an dem EFSA-Papier mitgearbeitet hat.
Das letzte EFSA-Gutachten zu Bisphenol A von 2010 hatte die EU-Kommission veranlasst, diese Substanz europaweit in Babyfläschchen zu verbieten. In Frankreich dürfen bereits BPA enthaltende Produkte, mit denen Kinder in Berührung kommen, nicht mehr hergestellt noch importiert werden. In Österreich ist die Produktion von Schnullern mit BPA verboten.
BPA möglichst meiden
Ungeachtet der EFSA-Entscheidung raten Umweltexperten und Forscher, Bisphenol A möglichst zu meiden. Das heißt unter anderem, auf Konserven und Plastikflaschen verzichten, Lebensmittel- und Kosmetikverpackungen aus Plastik sofort entfernen, Kassenbons nicht in Kinderhände geben.