Grausame Experimente

KZ-Ärzte führten bestialische Versuche an Menschen durch. Die CIA führte sie fort.
SCHWARZACH. Es begann im Mai 1941. Der im KZ Dachau tätige deutsche Stabsarzt der Luftwaffe, Sigmund Rascher, richtete einen Brief an Reichsführer Heinrich Himmler, in dem er „mit großem Bedauern“ festgestellt hat, „dass leider noch keinerlei Versuche mit Menschenmaterial bei uns angestellt werden konnten“, obwohl in Dachau „optimale Forschungsbedingungen“ dafür geschaffen werden könnten. Rascher, der seit 1933 NSDAP-Mitglied war, betonte die Wichtigkeit solcher Menschenversuche – vor allem für die Höhenflugforschung. Etwa neun Monate später begann er mit seinen Höhendruck- und Unterwasserversuchen.
In eigens nach Dachau transportierten Unterdruckkammern testete Rascher die Reaktions- und Lebensfähigkeit des Menschen in großen Höhen, bei raschem Aufstieg (bis 20 km und mehr), sowie beim plötzlichen Fall aus großer Höhe. Dafür verwendete er Häftlinge, von denen etwa 80 von 200 während der Versuche starben. Dann widmete sich der Arzt den Unterkühlungsversuchen, wobei er zwei Methoden praktizierte: Bei einer wurden die Versuchspersonen bekleidet oder nackt in kaltes Wasser gelegt, bis sie erstarrten. Bei der anderen wurden Häftlinge nachts nackt bei 20 bis 25 Minusgraden ins Freie gelegt und stündlich mit Wasser begossen. Weil die Schmerzensschreie zu laut waren, wurden die Opfer narkotisiert
In den Jahren 1941 bis 1945 folgten die meisten KZ-Ärzte Raschers Beispiel. Im KZ Buchenwald spezialisierte sich SS-Sturmbannführer Erwin Ding-Schuler auf die Entdeckung geeigneter Impfstoffe, indem er Häftlinge gezielt mit Fleckfieber oder Malaria-sporozoiten infizierte. Experimente mit Sulfonamid führte Himmlers Leibarzt Karl Gebhardt in Buchenwald durch. Er fügte Versuchspersonen absichtlich Wunden zu, in die er Staphylokokken, Gasbrandbazillen, Tetanusbazillen und Erreger-Mischkulturen injizierte und behandelte dann mit Sulfonamid. Die Betroffenen litten meist qualvolle Schmerzen.
„Gebildeter, kalter Zyniker“
Als Inbegriff der Grausamkeit ist Josef Mengele in die Geschichte eingegangen. Der 1911 geborene deutsche Mediziner und Anthropologe war von 1943 bis 1945 als Arzt im Vernichtungslager Auschwitz eingesetzt. Im Zentrum seiner Forschungen standen vererbungswissenschaftliche Zwillingsuntersuchungen. Hunderte Zwillingspaare, vor allem Kinder, waren ihm hilflos ausgeliefert. Unter anderem testete er die Schmerzempfindlichkeit von Zwillingen, indem er sie ohne Narkose operierte.
Außerdem führte Mengele an vielen anderen KZ-Häftlingen pseudowissenschaftlicher Versuche durch – von medizinisch sinnlosen „Übungsoperationen“, die ohne Narkose durchgeführt wurden, bis zur gewollten Infektion seiner Opfer mit tödlich verlaufenden Krankheiten zu Studien- und Vergleichszwecken. Die österreichische Ärztin und Gegnerin des Nationalsozialismus, Ella Lingens (1908 – 2002), war Häftling in Auschwitz. Sie beschrieb Mengele als „hochintelligenten und gebildeten, kalten Zyniker, der sich des Unrechts des gesamten Geschehens in Auschwitz voll bewusst war“.
Nach Kriegsende 1945 wurden die Verbrechen der Lager-
ärzte Gegenstand des Nürnberger Ärzteprozesses und führten zur Verabschiedung des Nürnberger Kodex medizinischer Ethik. Auf der Anklagebank des Ärzteprozesses saß (1947) Lagerarzt Karl Gebhardt. Er sagte: „So hat mir, wie ich mich bemühte zu zeigen, das Dritte Reich (…) auf ärztlichem Gebiete eine große Chance gegeben. Ich habe die Chance genutzt.“ Sigmund Rascher musste sich dem Tribunal nicht stellen: Er wurde wenige Tage vor der Befreiung des KZ Dachau
auf Befehl Himmlers erschossen.
CIA setzt Experimente fort
Bei der Befreiung des KZ Dachau durch US-Soldaten berichteten Überlebende von den furchtbaren Humanexperimenten der KZ-Ärzte. Kurz darauf wurde die Elite der NS-Wissenschafter inhaftiert – unter ihnen Mediziner, die in Dachau Versuche an Häftlingen mit tödlichen Keimen und Drogen durchführten. Einige von ihnen wurden im Nürnberger Ärzteprozess trotz belastender Beweise freigesprochen, weil sie von den Amerikanern gebraucht wurden. Die CIA setzte nämlich die Experimente der Nazis fort.