Tüfteln liegt in Genen

Wissen / 06.02.2015 • 12:00 Uhr
Der Pharmazeut Werner Petrasch nützt das Wissen seines Großvaters und Vaters und entwickelt deren Erfindungen  weiter. FOTO: MK
Der Pharmazeut Werner Petrasch nützt das Wissen seines Großvaters und Vaters und entwickelt deren Erfindungen  weiter. FOTO: MK

Seit dem Kriegsende vor 70 Jahren steht der Name Petrasch für Forschung in Vorarlberg.

dornbirn. „Mein Großvater und mein Vater waren Forscher. Ich nütze deren Wissen und entwickle ihre Erfindungen weiter“, sagt Werner Petrasch. Auch wenn er sich selbst nicht als „Forscher“ bezeichnet, das Tüfteln hat er in den Genen: Wie seine Vorfahren stellt der 69-jährige Dornbirner im kleinen Familienunternehmen spezielle pharmazeutische Produkte her.

Die Forschergeschichte der Familie Petrasch beginnt 1945. Kurz nach Ende des Zweiten Weltkrieges gründen der 53-jährige Pharmazeut Oswald Petrasch und sein 27-jähriger Sohn Helmut – er hat Maschinenbau studiert – in Dornbirn das Unternehmen Mag. Petrasch. Neben einem Labor betreiben sie auch eine Glasbläserei und eine Strickerei-Wirkerei.

Genialität und Hartnäckigkeit

Die Pharmazie-Konzession wird 1946 erteilt, und die Petraschs nehmen die Entwicklung von Arzneistoffen in Angriff. Das nimmt sie dermaßen in Anspruch, dass die Glasbläserei und auch die Strickerei-Wirkerei später aufgegeben werden.

In ihrem Labor entstehen an die 60 Arzneispezialitäten. Zu den bekanntesten gehören die Eucillin Salbe und die Rhinon Nasentropfen. „Im Laufe der Zeit sind viele der Präparate den medizinischen Erkenntnissen entsprechend modifiziert worden“, erklärt Werner Petrasch. So ist beispielsweise aus dem Eucillin mit Penicillin das Eucillin „B“ mit dem Antibiotikum Bacitracin geworden.

Werner Petrasch ist 15, als 1960 sein Großvater Oswald stirbt. „Ich behalte ihn als weisen Mann in Erinnerung“, sagt der Enkel. An seinem Vater Helmut habe ihm besonders dessen Genialität und Hartnäckigkeit imponiert. „Er hat Tausende Versuche im Labor gemacht.“ Sogar die meisten Wochenenden habe der Vater im Labor verbracht.

Anfang der 1960er-Jahre entwickelt Helmut Petrasch gemeinsam mit dem Chemiker Kurt Hinterauer ein Verfahren, mittels dem rechtsdrehende Milchsäure (RMS) isoliert werden kann, und startet die Produktion der RMS-Produkte. Bei dieser Fruchtsäure handelt es sich um eine optisch aktive Substanz, die auch im menschlichen Organismus vorkommt und diesen aufgrund sehr guter Resorbierfähigkeit regeneriert. Zudem begünstigt die RMS den Zellstoffwechsel.

Der deutsche Biologe, Arzt und Forscher Paul Gerhardt Seeger (1903–1991) hat im Rahmen seiner biologischen Krebsforschung die Stoffe aus der Natur untersucht, insbesondere die rechtsdrehende Milchsäure. Seeger gab Helmut Petrasch den Anstoß, das Arzneimittel Anthozym zu entwickeln. Dieser dunkelrote Saft ist ein Stoffwechselaktivator, der RMS, Rote-Beete-Extrakt, Mineralstoffe und Vitamin C enthält, und auch zur Unterstützung in der Tumorbehandlung angewendet wird. Heute wird Anthozym als Nahrungsergänzungsmittel weltweit vertrieben.

Neue Wege mit RMS

„Nachdem die Rechtsmilchsäure auch als wertvoller Kosmetikrohstoff erkannt wurde, gründete mein Vater 1972 die Firma Cosmetique RMS“, erzählt Werner Petrasch. Mittlerweile wird eine breite Palette von RMS-haltigen Körperpflemitteln vertrieben. „Heute ist natürlich jede Creme, jede Lotion anders zusammengesetzt als damals, weil sie stets der Zeit, den Umweltfaktoren und der Gesetzgebung angepasst werden“, erklärt Werner Petrasch. „Nicht mehr zeitgerechte Inhaltsstoffe werden ausgetauscht.“

Er ist 1979, nach Abschluss des Pharmaziestudiums, in das Familienunternehmen eingestiegen und führt es seit dem Tod des Vaters (2001) allein weiter. Herstellung und Vertrieb von Arzneimitteln hat Werner Petrasch 2008 eingestellt. „Wir sind zu klein, um uns die Gutachten leisten zu können.“ Seitdem konzentriert sich der Pharmazeut auf die RMS-Produktion für Nahrungsergänzungsmittel und Kosmetika. Zudem betreibt er eine Apotheke im Zentrum von Dornbirn.

Sich zur Ruhe setzen, daran denkt Werner Petrasch noch nicht. Er hat zwar zwei erwachsene Kinder mit entsprechender Ausbildung, aber die Nachfolgefrage ist noch nicht geklärt.

Forscherfamilie

» Oswald Petrasch, 1892–1960, Pharmazie-Studium in Prag

» Helmut Petrasch, 1918–2001, Maschinenbau-Studium in München

» Werner Petrasch, 1945, Pharmazie-Studium in Innsbruck