Lärmkarte zeigt: Es ist extrem laut unter Wasser

Wissen / 07.10.2016 • 17:05 Uhr
Gerade Delfine und Wale, die zur Orientierung auf ihr Gehör angewiesen sind, leiden unter dem Lärm. Foto: RTS
Gerade Delfine und Wale, die zur Orientierung auf ihr Gehör angewiesen sind, leiden unter dem Lärm. Foto: RTS

Speziell Meeressäugern droht an manchen Stellen ein Hörschaden.

Berlin. Die Fische, Wale und Delfine im Mittelmeer schwimmen zumindest mancherorts in einem Höllenlärm. Zu diesem Schluss gelangen Wissenschafter aus Frankreich, Italien, der Schweiz und den USA, die erstmals eine Karte der Lärm-Hotspots im Mittelmeer erstellt haben.

Speziell die in den vergangenen Jahren intensivierte Suche nach Öl- und Gasvorkommen mittels Schallkanonen sei ein großes Problem, sagte die Co-Autorin der Studie, Silvia Frey. „Das ist viel, viel lauter als ein startender Düsenjet.“ Die Fische hören und spüren den Lärm. Eine generelle Geräuschquelle seien die durchschnittlich etwa 1500 Handelsschiffe, die zu jedem Zeitpunkt im Mittelmeer unterwegs sind.

Der Bericht im Auftrag des Abkommens zum Schutz von Walen und Delfinen im Mittelmeer und im Schwarzen Meer (ACCOBAMS) hat die Lärmquellen im Zeitraum von 2005 bis 2015 erfasst. Dafür wurden Daten von 1446 Häfen, 228 Ölplattformen, 830 seismischen Explorationsgebieten, sieben Millionen Schiffspositionen, offiziell zugänglichen Angaben zu militärischen Aktivitäten und 52 Windfarmprojekten erfasst.

Mehr Schallkanonen

Der Einsatz von Schallkanonen habe enorm zugenommen, berichten die internationalen Meeresschutzorganisationen Oceancare und der Rat zur Verteidigung von Naturschätzen (NRDC) weiter. 2005 seien davon nur knapp vier Prozent der Oberfläche des Mittelmeeres betroffen gewesen, 2013 bereits 27 Prozent. „Lärm ist ein Stressfaktor wie bei den Menschen“, sagte Frey. Zwar könnten sich die Fische in ruhigere Gebiete zurückziehen, aber es sei oft schwierig, einen Ersatz für eine biologisch wertvolle Ursprungsumgebung zu finden. „Viele Gebiete im Mittelmeer bieten keine idealen Lebensbedingungen“, sagt Frey. Lärmkarten sind nach Ansicht des Bio-Akustikers Andreas Ruser von der Tierärztlichen Hochschule Hannover sehr sinnvolle Projekte, um die Belastung für die Tiere zu erfassen. Auch für Nord- und Ostsee sei eine solche Karte im Entstehen. Für Rammarbeiten bei der Erstellung von Windkraftanlagen in der Nordsee gelte in deutschen Gewässern bereits eine Schallenergiehöchstgrenze, um zum Beispiel die Belastung für die sensiblen Schweinswale in Grenzen zu halten, sagte Ruser. Gerade Delfine und Wale, die zur Orientierung auf ihr Gehör angewiesen sind, leiden unter dem Lärm. Viele Strandungen von Schnabelwalen im Mittelmeer könnten auf Schädigungen des Hörsinns der Meeressäuger zurückzuführen sein, meinte Frey.

Zu den Lärm-Hotspots zählen laut Bericht neben der Straße von Gibraltar auch die Gewässer zwischen dem spanischen Festland und den Balearen. Das spanische Umweltministerium hat aber inzwischen die Gefahr erkannt und will das Gebiet als Migrationskorridor für Wale und Delfine unter Schutz stellen. Dies hat ein striktes Management lärmverursachender Aktivitäten zur Folge, hieß es.

Die an dem Bericht beteiligten Wissenschaftler wiesen darauf hin, dass die Karte noch viele Lücken hat. Die Unternehmen halten sich stark mit der Veröffentlichung von Daten zurück. Der Bericht ist aber zumindest ein erster Hinweis auf das Ausmaß des Lärms im Mittelmeer.

Viele Gebiete im Mittelmeer bieten keine idealen Lebensbedingungen.

Silvia Frey