Tourengeher sollen für NASA forschen

Wintersportler sollen in entlegenen Gebieten Schneehöhen messen.
Anchorage Trinkwasser wird im Nordwesten der USA ganz wesentlich aus der jährlichen Schneeschmelze gewonnen. Das Problem: Die zur Verfügung stehenden Mengen lassen sich oft schlecht vorausberechnen. Denn im dünn besiedelten Hinterland wäre ein flächendeckender Betrieb von Messstationen viel zu teuer. Die Lösung: Naturfreunde, die sich auf Schneeschuhen, Skiern oder Motorschlitten in die Wildnis vorwagen, werden mit Meterstab und einer Smartphone-App ausgestattet.
Die US-Raumfahrtbehörde NASA sieht in der Rekrutierung von „Bürger-Forschern“ großes Potenzial. Insgesamt 16 Projekte, die mit dieser Methode arbeiten, werden von der NASA-Abteilung für Geowissenschaften finanziell unterstützt. Eines davon trägt den Namen „Community Snow Observations“. Die dabei in den Staaten Oregon, Washington und Alaska gewonnenen Daten werden in ein Computermodell eingespeist. Dieses wiederum soll voraussagen, wie viel Wasser in den Flüssen und Speicherbecken der Region landen wird.
Wirtschaftlich von Bedeutung
„Unsere ersten Berechnungen zeigen, dass die Messungen der ,Bürger-Forscher‘ die Simulationen ganz erheblich verbessern“, sagt der Bauingenieur David Hill von der Oregon State University. Gemeinsam mit Anthony Arendt von der University of Washington und Gabriel Wolken von der Abteilung für geologische und geophysikalische Studien des Amtes für natürliche Ressourcen in Alaska erhielt Hill einen der Zuschüsse für die NASA-Förderung.
Mithilfe der erfassten Schneehöhen berechnet das Computermodell ein voraussichtliches „Schmelzwasser-Äquivalent“ für die jeweiligen Wassereinzugsgebiete. Drei Viertel des jährlichen Abflusses von Flüssen, der als Trinkwasser genutzt wird, stammen in den westlichen US-Staaten nach Angaben der NASA von der
Schneeschmelze im Frühjahr und Sommer. Messwerte, die eine bessere Planung ermöglichen, sind also auch wirtschaftlich von Bedeutung.
Die wichtigste Grundlage für die Einschätzung der Schneelagen in den USA bilden bisher Fernmessstationen, die vom Landwirtschaftsministerium betrieben werden. Die unbemannten Stationen liefern Daten mithilfe eines Systems von automatisierten Sensoren. Es gebe aber zu wenige davon, sagt Hill. „Es ist teuer, sie zu errichten, und es ist teuer, sie am Laufen zu halten. Deswegen gibt es ganz einfach nicht sehr viele.“ Die „Bürger-Forscher“ sollen diese Lücke schließen. „Sie brauchen dafür bloß einen Messstab“, betont der Experte.
Theoretisch würde laut Hill schon ein einfacher Zollstock ausreichen. Die meisten derer, die ausgiebige Touren durch die Berge machten, hätten aber ohnehin Lawinensonden im Gepäck. Dabei handle es sich um einen fünf bis sechs Meter langen Stab, der sich wie eine Zeltstange auseinanderklappen lasse und in der Regel auch Abstandsmarkierungen habe. Nach einer Lawine werde damit nach vergrabenen Personen gesucht. „Wenn man eine Person findet, will man wissen, wie tief sie liegt“, sagt Hill. „Im Prinzip sind es einfach sehr lange Lineale.“
Den Teilnehmern des „Bürger-Forscher“-Projekts wird in einer Online-Anleitung gezeigt, wie sich Stellen mit natürlichen Schneehöhen ausmachen lassen, wie zu messen ist und wie die Daten in die Smartphone-App eingegeben werden. Die App registriert jeweils den Ort und die Zeit der Messung und gibt die gesammelten Informationen dann weiter. Im zentralen Computer werden die Angaben noch mit regionalen Einflussfaktoren in Verbindung gebracht.
Die ersten Tests wurden schon im vergangenen Winter am Thompson-Pass bei Valdez in Alaska durchgeführt.