VN-Wissen: Ein Vitamin im Abseits?

Wirkt keine Wunder, ist „nur“ notwendig.
Schwarzach Pflanzenöle sollen relativ selten ranzig werden, sogar hochungesättigte empfindliche Öle. Das liegt am Vitamin E. Dieses Vitamin ist besonders reichlich in ungesättigten Pflanzensäuren vorhanden. „Ungesättigt“ ist eine chemische Bezeichnung und heißt einfach, dass man an diese Öle Wasserstoff anlagern kann – die anderen Fette sind eben schon mit Wasserstoff „gesättigt“, da kann man das nicht. Mit „gesund“ oder „ungesund“ hat die Bezeichnung selber nichts zu tun. Vitamin E ist wie Vitamin C ein Radikalfänger, das heißt, es packt sich gefährliche freie Radikale und macht sie unschädlich. Vitamin C agiert im Wasser, Vitamin E im Fett; beide zusammen ergänzen sich also und wirken überall im Körper. Entdeckt wurde das Vitamin E erst 1922. Man fand diesen Stoff vor allem in verschiedenen Getreidearten wie Hafer und Mais. Vitamin E ist eigentlich ein Gemisch acht verschiedener sogenannter Tocopherole. Diese Stoffe mit mäßig komplizierter Struktur können mit Fettsäuremolekülen reagieren, die von einem „Radikal“ angegriffen und dabei beschädigt wurden. Ein „Radikal“ ist einfach ein Stoff mit einem einzelnen, schwach gebundenen Elektron. Solche Elektronen sind sehr reaktiv (sie kommen für gewöhnlich nur zu zweit vor) und stets auf der Suche nach einem Partner, springen dabei von einem Molekül zum nächsten und richten Schaden an – bis sie auf jemanden wie Tocopherol stoßen, das sie ein Zeitlang einfängt, bis sie von speziellen, anderen Molekülen neutralisiert werden, zum Beispiel von Ascorbinsäure, Vitamin C. Die Fettsäuren werden dadurch wieder repariert, passiert das nicht, neigen sie dazu, Ablagerungen in den Blutgefäßen zu bilden – Arteriosklerose mit den bekannten Folgen Herz -Kreislauferkrankungen, Herzinfarkt. Auch chronische Entzündungen werden begünstigt, Hautalterung, rheumatische Erkrankungen. Normalerweise ist im Fett, das der Mensch zu sich nimmt, soviel Vitamin E enthalten, dass kein Vitaminmangel auftritt. Den gibt es nur, wenn die Fettverdauung gestört ist. Allerdings war der Nobelpreisträger Linus Pauling anderer Ansicht: Er hielt die empfohlene Menge von 12 Milligramm täglich für zu gering. Andere Experten empfehlen heute bis zu 100 Milligramm täglich, was auf Vitaminpillen hinausläuft, denn 100 Milligramm sind z.B. in 50 Milliliter Weizenkeimöl enthalten oder in zwei Kilo Erbsen. Man kann auch zu viel nehmen: Wie bei den meisten Stoffen gilt auch hier der Satz des Paracelsus: “Die Dosis macht das Gift.” Beim Tocopherol liegt die LD50-Dosis, bei der die Hälfte der Versuchstiere stirbt, bei 2 Gramm pro Kilo Körpergewicht, beim Menschen also etwa 150 Gramm, die in 77 Liter Weizenkeimöl enthalten sind. Also keine Gefahr, wenn man es beim Salatanmachen nicht übertreibt . . . Christian Mähr